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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt
Autoren: Nagel
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von Fassungslosigkeit und Entsetzen.
    Du mieses Schwein, sagen seine Augen, das kannst du nicht wirklich gemacht haben, mit der Frau, die ich liebe, nach allem, was ich für dich getan habe, du undankbares Arschloch, du Banause, was glaubst du eigentlich, wer du bist, kommst hierher aus deinem Scheißberlin und führst dich auf wie die Axt im Walde, hau ab in dein eigenes Leben und lass uns hier in Frieden!
    Doch es ist eine Wut, die sich niemals entladen wird. Statt sie mir entgegenzuschleudern, geht Flo einen Schritt zurück, als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Er schüttelt langsam den Kopf und sagt: »Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.«
    Ich kann nicht glauben, dass er sogar in diesem Moment eine Redewendung raushaut, das kann doch nicht wahr sein! Was soll das überhaupt heißen, Schrecken ohne Ende , das passt doch gar nicht in den Zusammenhang, was redet der für einen Mist!
    Und warum dreht er sich jetzt um und geht einfach weg, statt mir eine zu zimmern?
    Â»Du solltest mir lieber danken, vielleicht hab ich ja deine Beziehung gerettet!«, rufe ich, während ich ihm hinterherlaufe. Ich muss noch ein Brikett zulegen, Öl ins Feuer gießen,
die Flamme am Brennen halten. Funken soll sie schlagen, ich will, dass alles hier endlich explodiert, die ganze Fassade muss uns um die Ohren fliegen. »So ein kleiner Seitensprung kurbelt das festgefahrene Eheleben manchmal ganz schön an, frag die Experten!«
    Â 
    Flo hat den Tisch mit den anderen erreicht. »Komm, wir gehen«, sagt er zu Judith.
    Sie sieht ihn erschrocken an. Dann mich, dann wieder ihn, dann wieder mich, und endlich zeigt sich eine Emotion auf ihrem Gesicht: die totale Verachtung. Jetzt hat auch sie verstanden. Sie verliert die Kontrolle über ihr Pokerface, es zeigt Risse, beginnt zu splittern, droht jeden Moment in verschiedene Teile zu zerfallen. Gleich kann sie es unter dem Tisch als Puzzle wieder aufsammeln.
    Die Eiserne Lady zerbröselt vor meinen Augen. Ein wundervoller Anblick.
    Sie fragt nicht, was eigentlich los ist. Auch Andrea und Yannik sind sprachlos. Ich sehe es in ihren Köpfen rattern, sie haben einen schlimmen Verdacht, trauen sich aber nicht, ihn zu Ende zu denken.
    Â»Ich melde mich morgen bei euch«, sagt Flo in aller Ruhe zu ihnen, bevor er geht.
    Ich nehme beide Hände an den Mund und rufe ihm mit norddeutschem Akzent seine eigenen dämlichen Sprüche hinterher: »Tschüssikowski! Bis dannimannski! Schön in die Horizontale! Sleep you well in a Bettgestell!«, und ich fühle mich dabei, wie mein Vater sich gefühlt haben muss, wenn er in seine Hohn-und-Spott-Orgien verfiel, was soll ich sagen, es fühlt sich gut an, es macht Spaß, ich ereifere mich an meinem eigenen Eifer, je böser, desto besser, und
wie schön wäre es, wenn Flo darauf reagieren würde, doch er verschwindet im Getümmel, ohne sich nochmal umzudrehen. Judith ruft seinen Namen, steht auf, greift sich ihre Tasche und kommt einen Schritt auf mich zu. Die Band spielt schon wieder Westernhagen.
    Â»Hey Mama, was ist mit mir los, Frauen gegenüber bin ich willenloooooos!«
    Â»Du hältst dich für total cool, oder?«
    Ihre Lippen beben. Die Augen sind heute wieder mehr braun als grün. Das böse Funkeln darin steht ihr gut. Dunkles Feuer, in Stahl gegossener Zorn, das Ganze als Silberblick.
    Â»Du siehst gut aus«, sage ich.
    Â»Du arme Sau. Du tust mir echt leid«, sagt Judith. Und geht.
    Â 
    Yannik und Andrea sitzen da wie bestellt und nicht abgeholt. Oder eher wie abgeholt und nicht bestellt.
    Â»Tja, der Drops ist wohl gelutscht«, sage ich zu ihnen und muss lachen, weil ich mir vorstelle, dass Flo das gerade denkt.
    Andrea hat die Augen so weit aufgerissen, dass ihre Pupillen kurz davor sind, herauszufallen und ihre dicken Backen runterzukullern. Yannik kaut wie ein Wahnsinniger auf einem Kaugummi herum.
    Â»Sag mal, Yannik, hast du vielleicht Drogen dabei? Speed, Koks oder Teile, vielleicht Pappen oder ein bisschen MDMA? Und wenn’s nur Poppers sind, egal, ich nehm alles, ich hab Bock«, sage ich.
    Yannik hört auf zu kauen und glotzt mich fragend an. Man könnte sein offen stehendes Karpfenmaul jetzt gut als Aschenbecher benutzen.

    Â»Oder kennst du jemanden, bei dem ich was bekommen könnte?«
    Er dreht sich zu Andrea um. Sie haben jetzt beide die Augen aufgerissen und den Mund sperrangelweit offen.
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