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Was gewesen wäre

Was gewesen wäre

Titel: Was gewesen wäre
Autoren: Gregor Sander
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husten. Jana sprang auf, schlug mir lachend auf den Rücken und sagte: »Das konntest du noch nie.«
    Ich drückte die Zigarette gleich wieder aus: »Wir müssen über diese Sache reden.«
    »Über welche Sache?«, fragte Jana und zog eine Augenbraue hoch. Sie setzte sich wieder.
    »Dass du denen alles erzählt hast damals. Über mich und Julius und über Katharina. Was weiß ich. Über Sascha auch. Die wussten ja wirklich alles.«
    »Ach du Scheiße. Die Stasinummer. Bist du deshalb gekommen?« Jana schlug die Beine übereinander und strich die Asche ihrer Zigarette ab.
    »Was soll ich dir darüber sagen? Was willst du hören?«
    Sie sah mich an, und ich zog die Schulter hoch. »Na, ich würde gerne wissen, warum du das gemacht hast? Wieso du denen alles erzählt hast, wieso ich in meiner Akte Gespräche zwischen uns beiden lesen konnte, Jana. Wortwörtlich. Da stand, dass der Sex mit Tobias für mich absolut unbefriedigend gewesen sei. Und wieso die Stasi meinte, dass Astrid Wolter dem Julius Herne völlig verfallen sei und dass davon auszugehen ist, dass sie den Anstrengungen der IM Marlene sehr wahrscheinlich Folge leisten wird.«
    Den letzten Satz hatte ich lauter gesagt, als mir lieb war, und dabei auf den Tisch gespuckt. Ich wischte mit dem Ärmel über den Tropfen Spucke. Auch noch, als er längst weg war.
    »Na, das stimmte doch. Himmel, der war doch der Tollste für dich, und dass du wieder in die Zone zurückfährst, das konnte ich nun wirklich nicht ahnen. Aber das war meinen Auftraggebern ja auch egal. Du warst denen ja nicht wirklich wichtig. Mir allerdings schon. Ich wollte ja, dass du bleibst.« Sie lachte auf und griff nach der nächsten Zigarette. Ihre Hand zitterte, während sie das brennende Feuerzeug zum Mund führte.
    »Deinen Auftraggebern, das klingt so … Das klingt so normal. Als wäre das nicht die Stasi gewesen, an die du uns da verkauft hast.«
    Jana zog an der Zigarette und sah mich lange an, bevor sie antwortete: »Jetzt sage ich dir mal was.« Sie deutete mit dem Zeigefinger auf mich. »Alle waren weg. Du hast in Rostock studiert, und Pit war in Berlin und hat sich sowieso einen Scheißdreck um mich gekümmert. Meine Eltern waren auch weg. Es war wirklich keiner für mich da. Niemand. Ich habe in diesem Scheißhotel gearbeitet. Mir die Beine krumm gelaufen. Zwei Jahre lang.« Sie legte die Hand wieder auf ihren Oberschenkel und sah aus dem Fenster. »Und dann saß da eines Abends plötzlich dieser Typ am Tresen. Von wegen, die Jungs von der Stasi hat man immer erkannt. Ich habe dem jedenfalls nichts angesehen. Gar nichts. Wir haben ein bisschen gequatscht, und dann hat er irgendwann gesagt, er wüsste schon einen Weg, wie ich rauskäme. Er wollte mich wiedersehen, da wusste ich noch gar nicht, wer das ist, und dann haben wir uns immer wieder getroffen. Einmal, zweimal, dreimal. Immer so weiter.«
    Sie griff nach der Flasche und goss uns beiden nach.
    »Was habe ich denn gemacht, eh? Du hast diese Reise nach Westberlin mir zu verdanken. Julius hatte die freie Wahl, ob er in den Westen kommen wollte oder nicht. Was soll’s? Und ich kam raus. Endlich haben die mich rausgelassen, und es war vorbei.«
    »Aber es ging doch gar nicht um mich oder Julius. Es ging doch um Katharina. Die sollte raus aus der DDR, und das wusstest du auch.«
    »Gott, diese Irre. Mann, eh. Die stand auch auf einmal vor der Tür. Da habe ich noch drüben in Harburg gewohnt, und plötzlich klingelt es, und Katharina Herne steht da. Ohne Haare, mit ’ner schwarzen Lederjacke an. Wie so ein Racheengel. Hätte eigentlich nur noch ein Schwert gefehlt.«
    »Die hatte Krebs, Jana. Die haben sie in den Knast gesteckt, und die ist nie damit fertig geworden. Bis sie gestorben ist, nicht. Und sie war überzeugt davon, dass die sie in Hohenschönhausen radioaktiv verstrahlt haben.«
    »Ja, aber was habe ich damit zu tun? Ich habe nicht die Plutonenkanone auf sie gerichtet.« Sie umfasste ihre Beine und legte den Kopf auf die Knie. Ihr Scheitel leuchtete weiß zwischen den dunklen Haaren.
    »Assi, ich bin nicht besonders stolz darauf, aber was soll ich sagen. Dieser Typ, dieser Krüger vom MfS, oder wie auch immer er wirklich hieß. Der hat mir ganz klargemacht, dass, wenn ich nicht mitmache, ich noch in fünf Jahren Bier über die Tanzfläche tragen werde in fuckin’ Neubrandenburg.«
    Ich griff nach meinem Glas, aber es war leer. Jana hob ihren Kopf von den Knien und sah mich an: »Der Typ, dem jetzt unser Haus hier in
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