Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0442 - Stets, wenn er die Peitsche nahm

0442 - Stets, wenn er die Peitsche nahm

Titel: 0442 - Stets, wenn er die Peitsche nahm
Autoren:
Vom Netzwerk:
Ich hockte in Bradfords Kneipe in der 52ten Straße und schlug mich mit einem Steak herum, als das Mädchen hereinspazierte. Der langwierige Kauprozeß gab mir Zeit, das Girl eingehend zu mustern. Sie war hübsch. Nicht gerade Extraklasse, aber jung und frisch genug, um einen zweiten Blick zu rechtfertigen. Das blonde Haar wirkte echt, aber die fahle Blässe des Gesichts ließ es kaum zur Geltung kommen.
    Das Mädchen blieb an der Tür stehen und schaute sich um. Es waren nur ein Dutzend Gäste anwesend, und es fehlte nicht an freien Tischen, aber als sie mich sah, kam sie geradewegs auf mich zu. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?« fragte sie.
    Ich nickte, weil der Kampf mit dem zähen Stück Fleisch meine Sprechfähigkeit stark beeinträchtigte. Sie setzte sich ünd blickte zur Tür. Ich merkte, daß das Mädchen zitterte. Sie legte die mittelgroße, leidlich schicke Lackledertasche auf den Tisch und fischte sich ein Päckchen Luckies heraus. Ich würgte den letzten sehnigen Steakhappen hinab. Ohne Zweifel stammte es von einem Rind, dem ein langes Leben beschieden gewesen war. »Bitte«, sagte ich dann und hielt dem Mädchen mein brennendes Feuerzeug hin.
    Sie zuckte zusammen, als hätte ich versucht, sie zu ohrfeigen. »Danke«, murmelte sie. Ihre Hände flogen förmlich. Sie gab sich keine Mühe, die Erregung zu verbergen. Im nächsten Moment starrte sie wieder zur Tür, wie ein Kind, das sich vor dem Auftritt eines Monsters fürchtet.
    Ich betrachtete das Mädchen. Sie war schätzungsweise zweiundzwanzig Jahre alt und machte einen adretten, gepflegten Eindruck.
    Die violetten Augen dämmerten unter langen gewölbten Wimpern. In ihnen spiegelte sich Angst, das war nicht zu übersehen.
    Wovor fürchtet sich das Girl? Ich beschloß, nodi ein paar Minuten zu warten. Der Ober trat an den Tisch. »Ja?« fragte er und wandte sein apathisches Bernhardinergesicht dem Mädchen zu.
    »Einen Kaffee, bitte«, sagte das Mädchen nervös. Sie blickte den Ober nicht mal an. Ihre Stimme war dunkel, warm, und genauso von Angst erfüllt wie der Blick der großen Augen. Plötzlich gab sie sich einen Ruck und sah mich an. »Würden Sie mir einen Gefallen tun, bitte?« fragte sie.
    »Warum nicht?« meinte ich freundlich, aber ausweichend. Ich hatte keine Lust, mich festzulegen.
    »Es kann sein, daß gleich ein Mann hereinkommt — ein sehr großer und kräftiger Mann«, sagte sie gehetzt. »Würden Sie sich bitte als mein Freund ausgeben? Vielleicht bringt ihn das zur Vernunft.«
    Ich schaute mich in Bradfords Kneipe um. Der Laden war kürzlich renoviert worden und nannte sich jetzt »Schnellrestaurant«, aber er hatte trotzdem nur wenig von seinem angestammten Kneipencharakter verloren. Dafür sorgten schon die Gäste — zum großen Teil Penner, die Bradfords billigen Wermut schätzten. Ich kam gelegentlich her, weil ich hier schon oft gute Tips kassiert hatte. Mir dämmerte, warum sich das Girl zu mir an den Tisch gesetzt hatte. Ich war der einzige Gast, unter dessen Anzug sie durchtrainierte Muskeln vermuten konnte.
    »Wie heißen Sie?« fragte ich.
    »Liza.«
    »Und wie weiter?«
    Sie biß sich kurz auf die Unterlippe. »Das ist doch unwichtig!« meinte sie.
    »Wer ist er?« fragte ich.
    Das Mädchen blickte zur Tür. »Ich kann Ihnen das nicht erklären«, murmelte sie.
    »Verfolgt er Sie?«
    Liza gab keine Antwort. Aber ich merkte, wie sich ihr schlanker Körper straffte. Draußen ging ein hochgewachsener Mann vorbei. Er bewegte sich leicht gebückt. Im nächsten Moment zeichneten sich die Konturen seiner hünenhaften Figur hinter der Milchglasscheibe der Eingangstür ab. Zögernd blieb er eine Sekunde lang stehen. Dann kam er herein.
    In meinem Magen schien sich plötzlich ein Knoten zu bilden. Ich kannte den Burschen. Es war »Killer« Canzello. Er arbeitete seit fünf Jahren für den Murelli-Mob. Dort, wo er auftauchte, floß gewöhnlich Blut.
    Canzello sah das Mädchen sofort. Über ein großflächiges Gesicht, das ohne die hellen stechenden Augen töricht gewirkt hätte, glitt ein höhnisches Grinsen. Er kam auf unseren Tisch zu, ohne von der Umgebung auch nur die geringste Notiz zu nehmen.
    Das Mädchen saß aufrecht, wie erstarrt. Sie ähnelte einer Maus, die hilflos dem hypnotisch wirkenden Blick der Schlange ausgesetzt ist.
    »Komm!« sagte er mit flacher Stimme. Die Stimme war leise, trocken, nichtssagend, aber durch den harten, fordernden Ausdruck seines Gesichts bekam sie eine drohende Note, die keinen Widerspruch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher