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Was geschah mit Angelika H.

Was geschah mit Angelika H.

Titel: Was geschah mit Angelika H.
Autoren: Thomas Ziegler
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Suche nach meiner Enkelin kaum weiterhelfen.«
    »Vielleicht doch«, sagte Markesch. »Lassen Sie mir die Adresse des Arztes hier. Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte, wo sich Ihre Enkelin aufhalten könnte? Bei Freunden, Freundinnen, Verwandten?«
    »Ich fürchte, sie ist bei diesen Verrückten, bei diesen Spinnern, die tagsüber für ihren Guru abkassieren und nachts die freie Liebe praktizieren. Ein Sündenbabel. Früher hätte es so etwas nicht gegeben. Früher hätte man mit diesem Gesindel kurzen Prozeß gemacht. Aber heutzutage darf ja jeder Verbrecher frei herumlaufen, während sich die anständigen Menschen nicht mehr aus dem Haus trauen. Statt Zucht und Ordnung herrschen Unzucht und Anarchie, und die größten Lumpen …«
    »Lassen wir doch mal für einen Moment den Untergang des Abendlandes aus dem Spiel«, unterbrach Markesch liebenswürdig. »Welche Spinner meinen Sie?«
    »Wen soll ich schon meinen? Die … wie heißen sie noch gleich? Sanyiten, nicht wahr? Köln ist voll von diesem Pack. Man sieht sie fast an jeder Straßenecke. Sie lungern herum und lauern auf Opfer. Und die Polizei sieht tatenlos zu. Es ist ein Skandal!«
    »Sie glauben also, daß sich Ihre Enkelin den Sanyiten angeschlossen hat?«
    Hilling funkelte ihn an. »Hören Sie nicht richtig zu? Von anschließen kann keine Rede sein. Ich sagte doch, daß Angelika labil ist. Überspannt. Genau wie ihre Mutter. Leichte Beute für diese Rattenfänger. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was sie dem armen Kind angetan haben. Also, Markesch, holen Sie sie da raus! Je schneller, desto besser, verstanden?«
    Markesch seufzte. »Ich werde mein Bestes tun. Haben Sie ein Foto von Ihrer Enkelin dabei?«
    »Natürlich.« Hilling zog ein Bild aus der Tasche und schob es über den Tisch. »Es wurde vor einem halben Jahr aufgenommen. Ihr Haar ist jetzt länger, aber ich denke, es genügt, um sie zu identifizieren.«
    Markesch griff nach dem Foto, und erleichtert stellte er fest, daß Angelika Hilling nicht nach ihrem Großvater geschlagen war. Sie war sogar ein ausgesprochen hübsches Mädchen, vielleicht etwas zu dünn, mit einem schmalen, feingeschnittenen Gesicht, das von großen dunklen Augen beherrscht wurde, und einem trotzigen Zug um den Mund. Sie wirkte ganz und gar nicht labil, sondern schien zu der Sorte Frauen zu gehören, die genau wußten, was sie wollten, und keine Mühe hatten, ihren Willen durchzusetzen. Nur die brave, kleinmädchenhafte Pagenfrisur paßte nicht ins Bild, aber wie ihr Großvater bereits gesagt hatte, trug sie ihr Haar jetzt länger.
    Wenn es etwas gab, das Markesch an seinem Job liebte, dann waren es Aufträge wie dieser, wo es darum ging, junge, hübsche Frauen aus den Klauen finsterer Mächte zu befreien. Es hob seinen Beruf über die Notwendigkeit des banalen Broterwerbs hinaus; es verlieh dem Ganzen eine nahezu mythologische Dimension.
    »Warum grinsen Sie?« fragte Hilling scharf. »Ist irgend etwas mit dem Bild nicht in Ordnung?«
    Markesch steckte das Foto ein. »Es hat mit dem Bild nichts zu tun. Ich mußte gerade nur an meine letzte Steuererklärung denken.«
    Der Alte zog verächtlich die Mundwinkel nach unten. Offenbar hatte er keinen Sinn für Humor. »Hier«, sagte er und reichte Markesch eine Visitenkarte. »Ich verlange, daß Sie mich über Ihre Ermittlungen ständig auf dem laufenden halten. Sie können mich zu jeder Tages- und Nachtzeit unter dieser Nummer erreichen.«
    »Geben Sie mir noch die Nummer von Angelikas Arzt, diesem Doktor Roth«, bat Markesch. »Für alle Fälle.«
    Hilling nannte sie ihm, und er notierte sie auf der Rückseite der Visitenkarte. Nach der Vorwahl zu urteilen, hatte der gute Doktor seine Nervenpraxis irgendwo im Oberbergischen.
    »Da ist noch eine Schwierigkeit«, sagte er bedächtig. »Nach dem Foto zu urteilen, ist Ihre Enkelin volljährig.«
    »Sie ist dreiundzwanzig«, bestätigte Hilling. »Obwohl sie sich manchmal wie ein kleines Kind benimmt. Und? Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Wenn ich Ihre Enkelin finde und sie sich weigert, zu Ihnen nach Hause zu kommen, sehe ich keine Möglichkeit …«
    Der Alte hämmerte wütend mit dem Spazierstock auf den Boden. »Sie scheinen mich nicht richtig verstanden zu haben, junger Mann. Glauben Sie im Ernst, ich zahle Ihnen einen Vorschuß von sechstausend Mark, nur um den Aufenthaltsort meiner Enkelin zu erfahren, zumal ich mir ziemlich sicher bin, wo sie steckt? Angelika ist in die Fänge dieser Sanyiten geraten. Wahrscheinlich hat
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