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Was geschah mit Angelika H.

Was geschah mit Angelika H.

Titel: Was geschah mit Angelika H.
Autoren: Thomas Ziegler
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Unkenntlichkeit geschminkten Gespielinnen, die auf dem Rücksitz ihre sündhaft teuren Mailänder Haute-Couture-Modelle zerknitterten.
    Obwohl er schon vor Jahren den Verlockungen des Luxus entsagt hatte, kam er sich in seinem rostigen Ford und den abgewetzten C&A-Klamotten aus dem Winterschlußverkauf wie ein Fremdkörper vor. Zum Glück passierte er hinter dem Hahnentor einen giftgrünen Trabi aus Jena, der sich tollkühnerweise auf die Überholspur gewagt hatte und von zwei bulligen Interrent-Transportern in die Mitte genommen worden war. Bei den Kellerkindern aus dem armen Teil Deutschlands erregte selbst sein rostiger Ford sichtlichen Neid, und so versöhnt, winkte er ihnen hoheitsvoll zu und bedauerte, keine Bananen dabei zu haben. Die Zonies winkten zurück, doch es wirkte so resigniert, als hätten auch sie den Express-Bericht über den unglückseligen Trabi gelesen, für den die Fahrt in den goldenen Westen unter den Doppelreifen eines Schwerlasters geendet hatte.
    Endlich tauchte vor ihm das Krishna auf, ein Tempel aus Rauchglas und Marmor, vom Neonlicht in schattenlose Helligkeit getaucht, als wäre Erleuchtung keine Frage der Spiritualität, sondern allein der richtigen Wattzahl. Wie an jedem Wochenende war die Disko vom yuppiemäßig herausgeputzten Jungvolk der Domstadt umlagert. Die Schlange der Einlaß begehrenden tanzwütigen Teenager reichte bis auf die Straße, und besorgt fragte sich Markesch, welche Wirkung dieses Bild auf die Zonies aus dem giftgrünen Trabi haben mochte – ein deprimierendes Déjà vu an die große Zeit des Sozialismus, der sich in vierzig Jahren erfolgreich zu Tode gesiegt hatte.
    Zwanzig Minuten später und drei Seitenstraßen weiter fand er endlich einen Parkplatz, dessen einziger Makel war, daß er im absoluten Halteverbot lag, aber in einer Stadt, wo Parkplätze noch seltener waren als ehrliche Menschen, konnte man nicht wählerisch sein, und Markesch hoffte ohnehin, daß sein Besuch im Krishna nicht lange dauern würde.
    Die Nacht war frostig und von Böen durchpfiffen, Vorboten der Sturmfront, die für die nächsten Tage angekündigt war, und der Wind stemmte sich ihm beim Aussteigen entgegen, als wäre er eifersüchtig auf jeden, der ihm die Herrschaft über die Straße streitig machte.
    Markesch knöpfte seine Nappalederjacke zu, schlug den Kragen hoch und marschierte zurück zum Hohenzollernring und zum Marmorportal des Krishna.
    Die Diskothek war nicht das einzige Unternehmen, das die Sanyiten zum höheren Ruhm ihres Glaubens betrieben. Zu ihrem spirituellen Imperium gehörten neben dem Meditationszentrum in Ehrenfeld und einem auf Erleuchtung spezialisierten Verlag auch noch so banale Betriebe wie ein Reisebüro und ein Ingenieurkontor. Aber am abschreckendsten waren für Markesch ihre vegetarischen Restaurants, in denen statt Scotch Gemüsesäfte ausgeschenkt wurden, ein deutlicher Beweis für die verheerende Wirkung dieser neuen religiösen Bewegung auf den menschlichen Geist.
    Nur – bedeutete dies auch, daß sie neuerdings ihre Anhänger per Gehirnwäsche warben und sie im Meditationszentrum zur freien Liebe und im Reisebüro zur Fronarbeit zwangen, wie Angelika Hillings Großvater glaubte? Wer sich von Gemüsesäften und Körnern ernährte, dem waren fraglos alle Schlechtigkeiten zuzutrauen, und in den letzten Jahren hatte es eine Reihe von häßlichen Zwischenfällen gegeben, die von Psychoterror bis zur Giftmischerei reichten. Doch diese Verirrungen hatten sich auf die amerikanische Niederlassung der Sanyiten beschränkt.
    Den Kölner Anhängern des Guru Kundalini Sanyit war dagegen nur ihre gnadenlose Geschäftstüchtigkeit nachzusagen, und das sprach nicht unbedingt gegen sie.
    Wahrscheinlicher war, daß es Angelika Hilling im Haus ihres tyrannischen Großvaters nicht mehr ausgehalten und Schutz und Geborgenheit bei den Sanyiten gesucht hatte. Und so, wie Markesch den Oberst a.D. Anton Hilling kennengelernt hatte, konnte er es ihr nicht verdenken.
    Aber das änderte nichts an seinem Auftrag.
    Der Alte hatte deutlich genug zu verstehen gegeben, daß er sich mit Informationen über den Aufenthaltsort seiner Enkelin nicht zufriedengeben würde. Erst wenn Markesch sie zurück ins großväterliche Heim brachte, konnte er mit einem Erfolgshonorar rechnen, und angesichts seiner desolaten finanziellen Lage war er auf das Erfolgshonorar dringend angewiesen.
    Später, dachte Markesch. Zuerst muß ich die junge Dame finden. Und wenn ich sie gefunden habe, wird es
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