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Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Titel: Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
Autoren: Cordwainer Smith
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begegnete.
    Aber Stalin hatte auch das vorausgeahnt.
    Der bleichen, fanatischen Gausgofer hatte er einen Mann namens B. Gauck an die Seite gestellt.
    Gauck war massig, geduldig, ausdruckslos. Körperlich war er ebenso groß wie Rogow. Wo Rogow Muskeln besaß, war er schlaff. Wo Rogows Haut gesund war und die rosige, frische Farbe aufwies, die auf viel Bewegung zurückzuführen ist, war Gaucks Haut wie ranziges Schmalz, schmierig, graugrün, kränklich selbst dann, wenn es ihm gutging.
    Gaucks Augen waren leer und klein. Sein Blick war so kalt und hart wie der Tod. Gauck besaß keine Freunde, keine Feinde, keine Überzeugungen, keine Begeisterung. Selbst Gausgofer fürchtete sich vor ihm.
    Gauck trank niemals, ging niemals nach draußen, erhielt nie Post, schickte nie Briefe ab, sprach nie ein unüberlegtes Wort. Er war niemals grob, niemals sanft, niemals freundlich, niemals wirklich zurückhaltend; er konnte nicht mehr zurückhalten als die ständige Zurückhaltung seines ganzen Lebens.
    Rogow hatte sich in der Abgeschiedenheit des Schlafzimmers an seine Frau gewandt, sobald Gausgofer und Gauck eingetroffen waren, und hatte sie gefragt: »Meinst du, dieser Mann ist krank, Anastasia?«
    Cherpas verschränkte die Finger ihrer schönen, ausdrucksvollen Hände. Sie, die bei tausend wissenschaftlichen Versammlungen die Schlagfertigkeit in Person gewesen war, fand nun keine Worte. Mit einem besorgten Gesichtsausdruck sah sie zu ihrem Mann auf. »Ich weiß es nicht, Genosse … Ich weiß es einfach nicht …«
    Rogow lächelte sein amüsiertes, slawisches Lächeln. »Nun, dann glaube ich auch nicht, dass Gausgofer es weiß.«
    Cherpas lachte prustend und griff nach ihrer Haarbürste. »Da hast du sicher Recht. Sie wird es ganz bestimmt nicht wissen. Ich vermute, sie weiß noch nicht einmal, bei wem er Bericht erstattet.«
    Diese Unterhaltung war längst Vergangenheit. Gauck, Gausgofer, die leblosen Augen und die toten Augen – sie waren geblieben.
    Jedes Abendessen nahmen die vier gemeinsam ein.
    Jeden Morgen trafen sich die vier im Labor.
    Rogows großer Mut, seine eiserne Gesundheit und sein erfrischender Humor ließen die Arbeit vorankommen.
    Cherpas’ brillanter Geist gab ihm neue Tatkraft, wann immer die Routine seinen hervorragenden Verstand zu lähmen drohte.
    Gausgofer spionierte und beobachtete und lächelte ihr blutleeres Lächeln; manchmal, wenn Neugierde sie überkam, machte sie einzigartige, konstruktive Vorschläge. Sie verstand nie den eigentlichen Sinn ihrer Arbeit im Gesamtzusammenhang, aber sie kannte sich gut genug mit den mechanischen und ingenieurwissenschaftlichen Details aus, um gelegentlich sehr nützlich zu sein.
    Gauck kam herein, nahm stumm Platz, sagte nichts, tat nichts. Er rauchte nicht einmal. Er war niemals nervös. Er ging niemals schlafen. Er beobachtete nur.
    Das Labor wuchs, und mit ihm wuchs das gewaltige Gebilde der Spionagemaschine.

III
    In der Theorie war das, was Rogow vorgeschlagen und Cherpas fortgeführt hatte, denkbar. Es war der Versuch, ein integriertes Instrumentarium für all die elektrischen und Strahlungs-Phänomene zu erarbeiten, die das Bewusstsein bestimmten, um die elektrischen Funktionen des Geistes nachzuahmen, ohne auf tierisches Material zurückzugreifen.
    Die Palette der möglichen Produkte war ungeheuer groß.
    Das erste Produkt, um das Stalin gebeten hatte, sollte ein Empfänger sein, der sich in die Gedanken eines menschlichen Geistes einschalten und diese Gedanken entweder über eine Lochstreifenmaschine, eine Fortentwicklung des deutschen Hellschreibers , aufzeichnen oder in phonetischer Sprache wiedergeben konnte. Falls der Prozess umkehrbar war und die Maschine, die die Gehirnprozesse simulierte, nicht als Empfänger, sondern als Sender arbeitete, war es vielleicht möglich, lähmende oder störende Wellen abzugeben, die Gedankenprozesse unterbrechen oder ganz beenden konnten.
    Im besten Fall konnte Rogows Maschine dazu dienen, über große Entfernungen menschliche Gedanken zu verwirren, menschliche Ziele zu verunsichern und ein elektronisches Störsendersystem zu errichten, das das menschliche Bewusstsein ausschaltete, ohne dass dafür Röhren oder Empfänger notwendig waren.
    Er hatte Erfolg – teilweise.
    Im ersten Jahr seiner Arbeit hatte er es geschafft, sich selbst schreckliche Kopfschmerzen zuzufügen. Im dritten Jahr hatte er eine Maus über eine Entfernung von zehn Kilometern getötet. Im siebten Jahr hatte er Massenhalluzinationen und eine
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