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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt
Autoren: Paula Fox
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überlassen», sagte er, als sie die Stufen zur Tür der Holsteins hinaufgingen. «Ich weiß nicht einmal mehr, wieviel Geld jeder von uns hineingesteckt hat.»
    «Wo wird er damit segeln?» fragte Sophie. «In der Bowery vielleicht, wo auch die Säufer schwimmen?»
    Der verdammte Biß hat sie nervös gemacht, dachte er, und wenn sie nervös war, verschwand die Eigenschaft, die er am meisten an ihr schätzte – ihre Ausgeglichenheit. Sie schien sich gleichsam körperlich zusammenzuziehen. Er drückte die Klingel unter dem strengen schwarzen Schild, auf dem MYRON HOLSTEIN, M. D. gedruckt stand. Auch wenn er Psychoanalytiker war, sollte er etwas von Tierbissen verstehen, sagte Otto zu ihr, aber Sophie sagte, sie wolle keine Affäre daraus machen. Es sei schon besser geworden. «Bitte, bring es nicht aufs Tapet. Nur, daß ich gern früher gehen würde –» Dann öffnete sich die Tür.
    Unter Flo Holsteins strahlenden Wandleuchten wanderten so viele Leute herum, daß es aussah, als sei geradeein Ausverkauf im Gange. Auf einen Blick machte Sophie in der Menge einige Leute aus, die sie in dem Haus noch nicht gesehen hatte. Diese wenigen blickten verstohlen auf die Möbel und Bilder. Hier gab es nur Originale. Alles war echt: Mies van der Rohe, Queen Anne, Matisse und Gottlieb.
    Flo hatte zwei erfolgreiche Musicals produziert. Mike Holsteins Klienten waren hauptsächlich Schriftsteller und Maler. Sophie mochte ihn. Otto sagte, er leide an Kulturverzweiflung. «Er kann seine eigene Branche nicht leiden», hatte Otto gesagt. «Er ist wie diese Filmsternchen, die bekanntgeben, daß sie an der UCLA Philosophie studieren.»
    Aber in diesem Augenblick fühlte Sophie – das Gesicht von Dr. Holsteins starken, klobigen Händen umfaßt –, wie die nervöse Spannung der letzten zwei Stunden von ihr wich, als hätte man ihr ein mildes Schlafmittel verabreicht.
    «Soph, Liebling! Hallo, Otto! Sophie, du siehst großartig aus! Ist das Kleid von Pucci? Wie gut, daß du nicht an deinen Haaren herummachst. Diese Frisur verleiht dir das Aussehen eines schönen traurigen Mädchens aus den dreißiger Jahren. Hast du das gewußt?» Er gab ihr einen Kuß, so wie fremde Ehemänner, auf die Wange, mit spitzem Mund, einem Ritual folgend.
    Er wußte nichts über sie, nicht einmal nach zehn Jahren, aber sie mochte die Aura des Wissenden, die Schmeichelei, die sie zu nichts verpflichtete. Und sie mochte sein etwas lädiertes Gesicht, die enganliegenden englischen Anzüge, die er bei einem Londoner Händler kaufte, der jedes Jahr in einem Hotel im Zentrum Bestellungen entgegennahm, und die italienischen Schuhe, von denen er behauptete, sie gehörten zu seinem Verführerkostüm. Er war kein Verführer. Er war unnahbar. Er war wie einMann, der sich von Akrobaten in einen Raum geleiten läßt.
    Trotz ihrer Entschlossenheit, nichts zu sagen, merkte sie, daß sie ihm in den Nacken flüsterte: «Es ist etwas Schreckliches passiert … Ich übertreibe, ich weiß, aber es war entsetzlich …»
    Als er sie zur Küche führte, packte ein Mann Otto am Arm, rief etwas und zog ihn zu einer Gruppe am Kamin. In der Küche gab Flo ihr hastig einen Kuß und kehrte ihr wieder den Rücken zu, um einen Blick auf eine riesige orangefarbene Kasserolle zu werfen, die in dem auf Augenhöhe eingebauten Herd stand. Zwei Männer, von denen einer den Wasserhahn auf- und zudrehte und nachdenklich ins Spülbecken starrte, sahen nicht auf.
    «Was ist passiert? Möchtest du deinen Gin mit Eis?» fragte Mike.
    «Eine Katze hat mich gebissen.»
    «Laß mal sehen.»
    Sie hielt ihre Hand hoch. Die schlaffen Finger sehen ziemlich mitleiderregend aus, dachte sie. Seit sie und Otto sich unter der Straßenlaterne die Schwellung angesehen hatten, schien sie zugenommen zu haben. Sie war eine Spur gelb gefärbt.
    «Hör mal, das sollte untersucht werden!»
    «Ach, es ist nichts. Es ist nicht das erste Mal, daß ich von einem Tier gebissen wurde.» Aber das stimmte nicht. «Es war ein Schock», sagte sie und stammelte ein wenig, so, als sei sie über ihre Lüge gestolpert, «weil ich dieses verdammte Biest gefüttert habe und es mich angegriffen hat.»
    «Ich glaube nicht, daß es hier irgendwo in den letzten Jahren Tollwut gegeben hat, aber –»
    «Nein», sagte sie. «Nein. Diese Katze war vollkommen gesund. Du kennst mich. Ich möchte die Heilige sein, die wilde Tiere zähmt.»
    «Mike!» rief Flo. «Mach die Tür auf, ja? Also, Sophie, was trinkst du?»
    «Fürs erste lieber nichts»,
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