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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt
Autoren: Paula Fox
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sich nach unten, und eine Hand ließ vorsichtig ein Kleenexknäuel los. Sophie lachte auf. «Amerikaner …», murmelte Otto, «lassen ihren Mist leise fallen, wo immer sie gerade unterwegs sind.»
    Sie überquerten die Atlantic Avenue und gingen in westlicher Richtung weiter, vorbei an den arabischen Läden mit ihren Fenstern voller Lederkissen und Wasserpfeifen, den arabischen Bäckereien, aus denen es nach Sesampaste roch. Ein dünner orientalischer Klageton entschlüpfte einem Geschäft, das nicht größer war als ein Schrank. Drinnen starrten drei Männer auf einen handbetriebenen Plattenspieler. Sophie blieb vor einem jordanischen Restaurant stehen, wo die Bentwoods erst letzte Woche mit Charlie Russel und seiner Frau zu Abend gegessen hatten. Sie blickte durch die abblätternden Goldbuchstaben auf dem Glas hindurch und sah den Tisch, an dem sie gesessen hatten.
    «Wie ist es möglich? An diesem Abend schien alles so freundschaftlich», sagte sie leise.
    «War es auch. Als wir zum ersten Mal beschlossen, unsere Partnerschaft zu beenden, war es freundschaftlicher denn je. Aber diese Woche …»
    «Es ist ja nicht so, daß ihr jemals über irgend etwas einer Meinung wart – aber alles schien so gut geregelt.»
    «Nein, wir waren uns nicht einig.»
    Sie schrie plötzlich auf und streckte ihre Hand aus.
    «Was ist los?» fragte er.
    «Du hast sie gestreift.»
    Sie blieben unter einer Laterne stehen, wo Otto ihre Hand untersuchte.
    «Sie ist geschwollen», sagte er. «Sieht furchtbar aus.»
    «Sie ist okay, nur empfindlich.»
    Die Blutung hatte aufgehört, aber ein kleiner Klumpen hatte sich gebildet, der die Ränder der Wunde nach oben drückte.
    «Ich denke, du solltest zum Arzt gehen. Zumindest solltest du eine Tetanusspritze bekommen.»
    «Was meinst du mit ‹zumindest›?» rief sie irritiert.
    «Sei nicht gleich so empfindlich.»
    Sie bogen in die Henry Street ein. Otto stellte befriedigt fest, daß dort genauso viel Müll herumlag wie in ihrer eigenen Gegend. Ein Hauskauf in den Heights käme für ihn nicht in Betracht … schrecklich überhöhte Preise, dieses ganze Immobiliengegrinse in staubigen, zerbröselnden Räumen – man stelle sich vor, was man aus diesen Holzteilen machen könnte! –, alle wußten, daß es Preistreiberei war, Gier, ganz miese Gier, zuschlagen, solange wir können, mit Stilgefühl artikulierte Immobilienpreise, Hypotheken wie fortschreitende Krankheiten: «Ich wohne in den Heights.» Natürlich war es in der Gegend der Bentwoods nicht besser, in der panische Angst herrschte, daß die Spekulanten, die jetzt die Gebäude inspizierten, von der «falschen» Sorte sein könnten. Otto haßte Grundstücksmakler, er haßte es, sich mit ihren fiesen Prozessen abzugeben. Es war das einzige, worüber er und Charlie sich noch einig waren. Er seufzte und dachte an den Polizisten, der letzte Woche das Wählerverzeichnis überprüfte und zu Otto sagte: «Dieses Viertel reißt sich wirklich zusammen, sieht nicht mehr so aus wie vor zwei Jahren. Ihr leistet hier was!» Und Otto hatte eine mörderische Genugtuung verspürt.
    «Warum seufzst du?» fragte Sophie.
    «Ich weiß nicht.»
    Die Bentwoods verfügten über ein hohes Einkommen. Sie hatten keine Kinder, und da sie beide bereits etwas über vierzig waren (Sophie war zwei Monate älter als Otto), rechneten sie auch nicht mehr damit. Sie konnten so ziemlich alles kaufen, was sie wollten. Sie besaßen eine Mercedes-Benz-Limousine und ein Haus auf Long Island mit einer langfristigen Hypothek, die kaum noch eine Belastung darstellte. Es stand auf einer Wiese in der Nähe des Dorfes Flynders. Wie ihr Haus in Brooklyn war esklein, dafür aber ein Jahrhundert älter. Die Reparaturen hatte Otto aus seinen Bargeldreserven bestritten. In den sieben Jahren seit dem Erwerb hatten sie dort nur einen einzigen unangenehmen Sommer verbracht. Damals hatten drei homosexuelle Männer eine Scheune in der Nachbarschaft gemietet und die ganze Nacht hindurch Judy-Garland-Platten gespielt. Sie hatten ihren tragbaren Plattenspieler in einem betonierten Vogelbassin auf der ehemaligen Viehweide aufgestellt. Bei Mondschein oder im Nebel schallte Judy Garlands Stimme über die Wiese und bohrte sich wie eine gepanzerte Faust in Ottos Kopf. Noch im September kaufte er die Scheune. Er beabsichtigte, sie irgendwann in ein Gästehaus umzubauen. Zur Zeit war darin das Segelboot untergebracht, das er sich mit Russel teilte.
    «Ich denke, ich werde das Boot einfach Charlie
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