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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt
Autoren: Paula Fox
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hochsprang, als hätte er ihr etwas hingehalten.
    «Was passiert mit den Bewohnern, wenn die Häuser gekauft werden? Wo bleiben sie? Das habe ich mich schon immer gefragt.»
    «Weiß ich nicht. Zu viele Leute überall.»
    «Wer hat die Häuser denn gekauft?»
    «Ein mutiger Pionier von der Wall Street. Und das andere, glaube ich, ein Maler, der aus seinem Loft am Lower Broadway ausquartiert wurde.»
    «Dazu braucht man keinen Mut, sondern Cash.»
    «Der Reis ist wunderbar, Sophie.»
    «Schau! Sie hat sich auf diesem kleinen Sims zusammengerollt. Wie kann sie bloß mit so wenig Platz auskommen?»
    «Sie sind wie Schlangen.»
    «Otto, ich gebe ihr nur ein bißchen Milch. Ich weiß, ich hätte sie erst gar nicht füttern sollen. Aber jetzt ist sie nun mal da. Im Juni gehen wir sowieso nach Flynders. Bis wir zurückkommen, hat sie jemand anderen gefunden.»
    «Warum bestehst du so darauf? Du läßt dich richtig gehen! Schau, es macht dir doch gar nichts aus, solange du nicht
sehen
mußt, daß die Katze verhungert aussieht. Dieses verdammte Weib hat gerade ihre abendliche Ladung Müll hier fallenlassen. Warum geht die Katze zum Fressen nicht dorthin?»
    «Es ist mir egal, warum ich es tue», sagte Sophie. «Tatsache ist, daß ich sehen
kann,
daß sie hungrig ist.»
    «Um wieviel Uhr sollen wir bei den Holsteins sein?»
    «So gegen neun», sagte sie, während sie mit einer Untertasse Milch zur Tür ging. Sie griff nach oben und steckte einen kleinen Schlüssel in das Schloß, das auf einer Querstange über dem Rahmen angebracht war. Dann drehte sie den Messinggriff.
    Die Katze miaute laut und begann die Milch zu schlabbern. Aus den anderen Häusern drang ein leises Klappern von Tellern und Töpfen, das Gemurmel von Fernsehern und Radios – aber allein die Vielzahl der Geräusche machte es schwer, einzelne herauszuhören.
    Der massige Kopf der Katze hing über der kleinen Untertasse aus Meißener Porzellan. Sophie bückte sich undstrich mit der Hand über ihren Rücken, der unter ihren Fingern bebte.
    «Komm wieder herein und mach die Tür zu!» beschwerte sich Otto. «Hier drinnen wird es allmählich kalt.»
    Das qualvolle Gejaule eines Hundes brach plötzlich durch das abendliche Summen.
    «Mein Gott!» rief Otto aus. «Was machen die bloß mit diesem Tier?»
    «Katholiken glauben, Tiere hätten keine Seele», sagte Sophie.
    «Diese Leute sind keine Katholiken. Wovon redest du überhaupt? Sie gehen doch alle zu dieser Pfingstler-
iglesia
weiter oben in der Straße.»
    Die Katze hatte angefangen, sich den Schnurrbart zu putzen. Sophie streichelte wieder ihren Rücken und zog ihre Finger bis zu der scharfen, bepelzten Biegung, wo der Schwanz sich nach oben reckte. Der Rücken der Katze hob sich krampfartig, um sich gegen ihre Hand zu pressen. Sie lächelte und fragte sich, ob die Katze schon einmal die freundliche Berührung eines Menschen verspürt hatte, und wenn ja, wie oft, und sie lächelte immer noch, als die Katze sich auf die Hinterbeine stellte, und sogar noch, als sie mit ausgefahrenen Krallen auf sie einhieb, und sie lächelte weiter bis zu der Sekunde, als die Katze ihre Zähne in den Rücken ihrer linken Hand grub und sich so an ihr Fleisch hängte, daß sie beinahe nach vorne fiel, fassungslos und entsetzt, doch war sie sich der Anwesenheit Ottos bewußt genug, um den Schrei zu unterdrücken, der in ihrer Kehle aufstieg, als sie ihre Hand mit einem Ruck aus diesem mit Widerhaken besetzten Kreis zurückzog. Sie warf die andere Hand hoch, und während ihr der Schweiß auf der Stirn ausbrach und ihr Fleisch kribbelte und sich zusammenzog,sagte sie: «Nein, nein, hör auf damit!» zu der Katze, als hätte diese nicht mehr getan, als um Futter zu betteln, und bei all ihrem Schmerz und ihrer Bestürzung war sie erstaunt zu hören, wie ruhig ihre Stimme klang. Dann plötzlich ließen die Krallen sie los und sausten zurück, als wollten sie einen weiteren Hieb austeilen, aber die Katze drehte sich – scheinbar mitten in der Luft – um, sprang von der Terrasse hinunter und verschwand unten im schattigen Hof.
    «Sophie? Was ist passiert?»
    «Nichts», sagte sie. «Ich hole jetzt den Tee.» Sie zog die Tür zu und ging rasch in die Küche, wobei sie Otto den Rücken zukehrte. Ihr Herz pochte. Sie versuchte, tief durchzuatmen, um das laute Hämmern zu dämpfen, und sie wunderte sich flüchtig über die Scham, die sie empfand – als wäre sie bei irgendeiner schändlichen Tat ertappt worden.
    Während sie am
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