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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
Autoren: Peter Schaar
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    Die verlorene Privatsphäre
     
    Im November 2006 konfrontierte die Vertreterin einer Bürgerrechtsorganisation die Teilnehmer der Internationalen Datenschutzkonferenz in London mit einem drastischen Bild: »Ein Frosch, den man in einen Kessel sprudelnd heißen Wassers wirft, springt reflexartig sofort wieder hinaus. Setzt man den Frosch hingegen in einen Topf mit kaltem Wasser und erwärmt ihn allmählich, so bleibt er drin. Zunächst mag das sich erwärmende Wasser sogar recht angenehm sein. Wenn das Wasser weiter erhitzt wird, sind seine Kräfte erlahmt. Wenn es den Siedepunkt erreicht hat, ist er tot.« Anschließend stellte sie die Frage, ob es uns auf dem Weg in die Überwachungsgesellschaft nicht ähnlich ergeht wie jenem Frosch.
    Gefahren drohen der Privatsphäre gleich von mehreren Seiten: Technologische Entwicklungen, wirtschaftliche Interessen, staatliche Kontrollen und auch die zunehmende Bereitschaft vieler Menschen, ihre eigene Privatsphäre nicht mehr ernst zu nehmen, gehen Hand in Hand. Im Folgenden sollen diese Entwicklungen näher betrachtet und Ansätze aufgezeigt werden, wie sich der Weg in eine allgegenwärtige Überwachungsgesellschaft abbremsen und vielleicht sogar umkehren ließe. Nur wenn sich die Gesellschaft und der Einzelne der Gefahren bewusst werden, wird die notwendige Umkehr erfolgen. Andernfalls müssen wir uns auf immer mehr Überwachung, Kontrolle und Beeinflussung einstellen, und unsere rechtsstaatlichen Errungenschaften gehen Schritt für Schritt verloren.
    Elektronische Systeme unterstützen uns bei allen möglichen Tätigkeiten. Sie bewahren uns vor eigenen Fehlern und sollen uns vor Bedrohungen aller Art schützen. Sie kommen auch dort zum Einsatz, wo wir sie nicht vermuteten, etwa beim Einkaufen und beim Autofahren: Wir können unseren »Datenschatten« nicht abschütteln.
    Es kommt uns wie eine Geschichte aus grauer Vorzeit vor, als die meisten Computersysteme noch offline in großen Rechenzentren betrieben wurden und Dateneingabe und Auswertungen mit erheblichem Aufwand verbunden waren – Lochkarten mussten gestanzt, transportiert und eingelesen werden, die Ausgabe erfolgte in Form von perforiertem Endlospapier. Vergleicht man die heutige Situation mit dieser »Vorzeit«, die gerade einmal ein Vierteljahrhundert zurückliegt, wird die revolutionäre Veränderung deutlich: Miniaturisierte Computertechnik wird in alle möglichen Gegenstände des Alltags eingebaut. Die meisten Mikroprozessoren werden nicht etwa in Computern verwendet, sondern sie werkeln in Autos, Küchengeräten oder CD-Playern vor sich hin. Was liegt da näher, als diese Geräte miteinander zu vernetzen und so den Verbrauchern einen »Zusatznutzen« zu verschaffen, etwa indem – so ein gerne verwendetes Beispiel – der Kühlschrank online Nachschub bestellt, wenn die Butter zur Neige geht oder das Haltbarkeitsdatum der Milch überschritten wird? Doch dieser Zusatznutzen hat seinen Preis. Wir bezahlen ihn, ohne uns der Konsequenzen bewusst zu sein: Wo auch immer wir gehen und stehen, miteinander kommunizieren oder arbeiten, wird unser Verhalten nachvollziehbar (vgl. 2.3).
    Überall wird unser Verhalten beobachtet, registriert und bewertet. Videokameras überwachen immer größere Bereiche des öffentlichen Raums und zeichnen auf, wo wir uns bewegen und mit wem wir Kontakt haben. Eine im Auftrag des britischen Datenschutzbeauftragten gefertigte Studie 1 kommt zu dem Ergebnis, dass in Großbritannien jeder Einzelne täglich von bis zu 300 Videokameras aufgenommen wird, Tendenz weiter steigend (vgl. 2.5).
    Auch die Biometrie hat große Fortschritte gemacht. Verfahren zur automatischen Identifizierung von Personen anhand körperlicher Merkmale werden bereits in vielen Bereichen eingesetzt, etwa in den »ePässen«, bei Zugangskontrollsystemen im Betrieb oder beim Bezahlen an der Supermarktkasse (vgl. 2.7).
    Wir sind heute per Handy überall erreichbar, und wir können mittels Satellitenortung metergenau feststellen, wo wir uns gerade aufhalten, wo sich unsere Kinder herumtreiben oder wo das Auto abgestellt ist. Auch Dritte können uns orten und die von uns zurückgelegten Wege nachvollziehen. Vielfältige neue Geschäftsmodelle, sogenannte »Location Based Services«, verwenden gerade diese Möglichkeiten, um uns etwa auf die nächste offene Tankstelle, ein italienisches Restaurant oder ein Modegeschäft in der Parallelstraße hinzuweisen (vgl. 2.4).
    Die Verbindung verschiedener
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