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Topkapi

Topkapi

Titel: Topkapi
Autoren: Eric Ambler
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I
    Ich hatte keine andere Wahl: Wenn mich die türkische Polizei nicht verhaftet hätte, so hätte mich die griechische hinter Schloß und Riegel gebracht. Ich mußte tun, was Harper mir befahl. Dieser Harper war schuld an allem, was später geschah.
    Ich hielt ihn für einen Amerikaner. Er sah aus wie einer – groß, einen etwas zu weiten, leichten Anzug, schmale Krawatte, Hemdkragen mit Knöpfen, Bürstenhaarschnitt und das glatte, alterslose Gesicht. Er sprach auch wie ein Amerikaner, oder doch wie ein Deutscher, der lange in den Staaten gelebt hat. Jetzt weiß ich, daß er kein Amerikaner ist, aber damals machte er auf mich den Eindruck.
    Sein Gepäck zum Beispiel: Kunstlederkoffer mit imitierten Goldschlössern. Das typische Gepäck eines reisenden Amerikaners.
    Er landete mit einer Maschine aus Wien auf dem Flughafen von Athen. Er konnte aus New York, London, Frankfurt oder Moskau kommen und mit dieser Maschine landen – oder direkt aus Wien. Das genau zu wissen war unmöglich. Keinerlei Hotelzettel am Gepäck. Ich nahm eben an, daß er aus New York kam. Ein Fehler, der jedem hätte passieren können. Seinen Paß sah ich nicht.
    Ich merke, ich entschuldige mich. Als ob ich mich dieser Sache schämen müßte; aber ich versuche lediglich zu erklären, was geschah, offen und ehrlich.
    Ich ahnte wirklich nicht, daß er nicht der war, der er zu sein schien. Ich machte mich am Flughafen an ihn heran. Ich vermiete meinen Wagen eigentlich nur, um mir nebenbei etwas zu verdienen. Von Beruf bin ich Journalist. Aber Nicki redete dauernd von neuen Kleidern, und außerdem war die Miete für die Wohnung in dieser Woche fällig. Ich brauchte Geld. Und dieser Mann sah so aus, als hätte er welches.
    Ist Geldverdienen ein Verbrechen? Man könnte es fast glauben. Sicher, Gesetz ist Gesetz, und ich will mich nicht beklagen, aber was ich nicht leiden kann, ist Heuchelei. Wenn ein Mann auf eigene Faust ins Viertel mit den roten Lampen über der Tür geht, schert sich keiner drum, aber wenn er einem anderen einen Gefallen tun und ihm den Weg zu einem wirklich guten Haus zeigen will, dann fangen sie alle an, zetermordio zu schreien. Dafür habe ich kein Verständnis. Wenn ich auf etwas stolz bin, dann auf meinen gesunden Menschenverstand – und auf meinen Humor.
    Ich heiße Arthur Simpson.
    Nein! Ich hatte vor, offen und ehrlich zu sein, und dabei will ich bleiben. Mein korrekter, vollständiger Name lautet Arthur Abdel Simpson. Den Abdel verdanke ich meiner ägyptischen Mutter. Ich bin in Kairo geboren. Aber mein Vater war britischer Offizier, und ich bin Brite bis ins Mark. Selbst mein Werdegang ist typisch britisch.
    Mein Vater diente von der Pike auf. Er war Feldwebel beim East-Kent-Linienregiment, als ich geboren wurde. 1916 wurde er zum Quartiermeister des Army-Service-Corps im Leutnantsrang befördert. Wir wohnten in der Offizierssiedlung für Verheiratete in Ismailia. Ein Jahr später kam er ums Leben. Ich war damals noch zu klein, als daß man mir die Einzelheiten erzählt hätte. Ich glaubte natürlich, die Türken hätten ihn umgebracht; aber meine Mutter erzählte mir später die Wahrheit. Er war von einem Lastwagen überfahren worden, als er eines Nachts aus der Offiziersmesse nach Hause ging.
    Mutter bekam zwar ihre Pension, aber irgend jemand sagte ihr, sie solle an das Wohlfahrtsamt der Armee für die Söhne gefallener Offiziere schreiben, und die schickten mich dann in die Britische Schule nach Kairo. Als ich neun war, sagten sie, wenn ich Verwandte hätte, bei denen ich in England leben könnte, würden sie meine Erziehung dort finanzieren. Eine verheiratete Schwester meines Vaters lebte in Hither Green im Südosten von London. Nachdem das Wohlfahrtsamt zusagte, für meinen Unterhalt zu bezahlen, war sie bereit, mich aufzunehmen. Das war eine große Erleichterung für Mutter, denn nun konnte sie Mr. Hafiz heiraten, der mich nicht ausstehen konnte seit dem Tag, als ich sie miteinander im Bett erwischt und es dem Imam gesagt hatte. Mr. Hafiz war im Gaststättengewerbe tätig und – es gibt kein anderes Wort – fett wie ein Schwein. Es war ekelhaft, daß ein Mann in seinem Alter mit meiner Mutter im Bett lag.
    An Bord eines Truppentransporters fuhr ich nach England. Ich war froh, daß ich wegkam. Ich bin nie gern irgendwo gewesen, wo ich nicht erwünscht war. Die meisten Männer auf dem Schiff waren geschlechtskrank. Ich schnappte bei ihren Gesprächen eine Menge Nützliches und Wissenswertes auf, ehe die
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