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Topkapi

Topkapi

Titel: Topkapi
Autoren: Eric Ambler
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gespürt haben, daß irgend etwas nicht stimmte mit ihm.
    Fünf vor neun fand ich einen Parkplatz in der Venizelos Avenue, gerade um die Ecke vom »Grande Bretagne«. Ich ließ Harper Bescheid sagen, daß ich wartete.
    Nach zehn Minuten kam er herunter, und ich führte ihn zum Wagen. Ich erklärte ihm, daß es für Privatwagen schwierig sei, vor dem Hotel zu parken.
    Er sagte recht unwirsch: »Na und?«
    Ich fragte mich, ob er getrunken hatte. Viele Touristen, die von zu Hause daran gewöhnt sind, früh zu Abend zu essen, fangen an, Ouzo zu trinken, um sich die Zeit zu vertreiben. Gegen zehn Uhr, wenn die Athener langsam ans Abendessen denken, sind die Touristen oft schon so blau, daß sie nicht mehr wissen, was sie sagen oder tun. Harper jedoch war nur zu nüchtern. Das sollte ich bald erfahren.
    Als wir zum Wagen kamen, hielt ich ihm die Tür zum Fond auf. Ohne darauf zu achten, öffnete er die Vordertür und setzte sich neben den Fahrersitz. Sehr demokratisch. Allerdings ziehe ich es vor, wenn meine Fahrgäste hinten sitzen, wo ich sie im Rückspiegel im Auge behalten kann.
    Ich ging ums Auto herum und setzte mich hinters Steuer.
    »Nun, Arthur«, fragte er, »wohin führen Sie mich?«
    »Wollen Sie zuerst essen, Sir?«
    »Wie wär’s mit einem Fischrestaurant?«
    »Ich zeige Ihnen das beste, Sir.«
    Ich fuhr ihn zum Jachthafen in Tourcolimano hinaus, zu dem Restaurant, wo ich Prozente bekomme. Der Hafen ist wirklich sehr malerisch, und er nickte bewundernd, als er sich umsah. Ich führte ihn in das Restaurant und stellte ihm den Koch vor. Nachdem er sich sein Menu und eine Flasche trockenen Patraswein ausgesucht hatte, wandte er sich an mich.
    »Haben Sie schon gegessen, Arthur?«
    »Ich esse eine Kleinigkeit in der Küche, Sir.« Auf diese Weise ginge mein Abendessen auf seine Rechnung, ohne daß er es wüßte, und meine Prozente gleichfalls.
    »Essen Sie mit mir.«
    »Das ist nicht notwendig, Sir.«
    »Wer sagt das? Ich bat Sie, mit mir zu essen.«
    »Danke, Sir. Mit Vergnügen.«
    Ein wahrer Demokrat. Wir saßen an einem Tisch auf der Terrasse am Rande des Wassers. Er fing an, mich über die Jachten, die im Hafen ankerten, auszufragen. Welche davon waren Privatbesitz? Welche wurden vermietet? Wie hoch lagen die Charterpreise?
    Ich wußte zufällig über eine der Charterjachten Bescheid, einen Achtzehn-Meter-Zweimastschoner mit Dieselantrieb. Ich nannte ihm den Preis – hundertundvierzig US-Dollar pro Tag. Der wirkliche Preis betrug hundertunddreißig, aber ich überlegte mir, daß ich die Differenz vom Vermieter als Provision einstreichen könnte. Außerdem interessierte es mich, wie er auf diese Summe reagierte; ob er anfangen würde zu lachen, wie jeder Normalverdiener, oder aber Fragen stellen, wie viele Schlafplätze die Jacht hatte. Er nickte nur und fragte dann nach schnellen, seetüchtigen Motorbooten ohne Besatzung.
    Im Hinblick auf das, was später passierte, erscheint mir dieser Punkt besonders bedeutungsvoll.
    Ich sagte, ich würde mich erkundigen. Er fragte mich nach Jachtmaklern. Ich nannte ihm den Namen von einem, den ich persönlich kannte, und sagte ihm, der Rest tauge nichts. Ich sagte ihm auch, daß meines Wissens die Besitzer der größeren Boote nicht gern ohne die eigene Mannschaft an Bord vermieteten. Darauf reagierte er nicht. Später fragte er mich, ob gecharterte Jachten von Tourcolimano oder Piräus nur griechisches Hoheitsgebiet befuhren oder ob sie es auch verlassen und, sagen wir, über die Adria nach Italien fahren könnten. Auch das bedeutungsvoll. Ich sagte ihm, ich wüßte es nicht, und das entsprach der Wahrheit.
    Als die Rechnung kam, fragte er mich, ob er hier einen Reisescheck der American Express über fünfzig Dollar wechseln könnte. Mit dieser Auskunft diente ich gern. Ich nickte. Er trennte den Fünfzig-Dollar-Scheck aus einem Zehnerheft. Das Erfreulichste, was mir an jenem Tag unter die Augen gekommen war.
    Kurz vor elf brachen wir auf, und ich fuhr ihn zum Club.
    Der Club ist praktisch eine Kopie des Lido in Paris, nur kleiner. Ich stellte ihn John, dem Besitzer, vor und versuchte, ihn für eine Weile loszuwerden. Er war noch immer völlig nüchtern, und ich dachte, wenn er allein wäre, würde er mehr trinken; aber es war nichts zu machen. Ich mußte mich zu ihm setzen und mittrinken. Er war besitzergreifend wie eine Frau. Ich war ratlos. Wenn ich ein frisch aussehender junger Mann und kein dickbäuchiger Journalist gewesen wäre, hätte ich es verstanden –
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