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Ein Kuss von dir

Ein Kuss von dir

Titel: Ein Kuss von dir
Autoren: Christina Dodd
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    London, 1806
     
    Die Kutsche der Duchess of Magnus kam vor dem großen Haus am Berkley Square zum Stehen, und heraus stieg eine Hochstaplerin.
    Die Hochstaplerin trug einen langen robusten Reisemantel, unter dem sich schlichte dunkle Reisekleider verbargen, und sie sprach mit dem aristokratischen Akzent der Duchess. Und genau wie die Duchess trug auch sie das schwarze Haar glatt aus dem Gesicht gekämmt.
    Doch für das kundige Auge waren die Unterschiede offensichtlich. Die Hochstaplerin hatte das süßere rundlichere Gesicht, beherrscht von blauen Augen mit bemerkenswerter Klarheit. Die Stimme war heiser, warm und klangvoll. Die Hände ruhten entspannt auf Taillenhöhe, und sie bewegte sich mit einer gelassenen Grazie, die nichts mit der brüsken Selbstsicherheit der Duchess zu tun hatte. Es dauerte seine Zeit, bis sie lächelte oder die Stirn runzelte, und sie lachte niemals triumphierend und frei heraus. Sie schien vielmehr jede Emotion abzuwägen, bevor sie sie zeigte, als ob irgendwann jede Spur von Impulsivität in ihr erstickt worden sei. Sie war nicht etwa verdrießlich, aber sie war wachsam, gesittet und viel zu still.
    Ja, ein kundiger Beobachter hätte den Unterschied zwischen der Duchess und der Hochstaplerin bemerkt. Zu Miss Eleanor Madeline Anne Elizabeth de Lacys Glück war in jenem Moment kein solcher Beobachter vor Ort, abgesehen von einem Pferdeknecht, dem Kutscher und den Lakaien, aber die Männer waren Eleanor und ihrer Cousine, der echten Duchess, allesamt bedingungslos ergeben.
    Sie hätten Mr. Remington Knight niemals die Wahrheit gesagt.
     
    Eleanor sank der Mut, als Mr. Remington Knights Butler mit strenger Miene in das große, widerhallende Foyer verkündete: »Ihre Gnaden, die Duchess of Magnus.«
    Derart feierlich angekündigt zu werden! Sie hätte sich am liebsten Hilfe suchend nach ihrer Cousine umgesehen. Wäre Madeline nur hier gewesen! Hätte Madeline dieses Unternehmen nur nicht wegen einer bedeutenderen Aufgabe abbrechen müssen!
    Hätte Eleanor nur nie eingewilligt, sich als Madeline auszugeben!
    Am hinteren Ende des Raums verbeugte sich ein Lakai und verschwand durch eine offene Tür. Er blieb nur ein paar Sekunden fort, dann kehrte er zurück und gab dem Butler ein Zeichen.
    Der Butler wandte sich an Eleanor und tat kund: »Der Master ist beschäftigt, aber er wird Sie in Bälde empfangen. In der Zwischenzeit, Madam, stehe ich Ihnen zur Verfügung. Mein Name ist Bridgeport. Darf ich Ihnen Hut und Mantel abnehmen?«
    Obwohl es kurz nach Mittag war, verwandelte der Nebel das Tageslicht in eine graue Suppe. Das Kerzenlicht reichte nicht aus, die dunklen Winkel des enormen Foyers auszuleuchten; eines Foyers, das unzweifelhaft dazu diente, vom Reichtum des Eigentümers zu künden.
    Eleanors Nasenflügel bebten vor Verachtung.
    Bridgeport wich ein wenig zurück, als fürchte er, sie würde, in Ermangelung seines Herrn, auf ihn losgehen.
    Natürlich hatte Mr. Knight genau dieses Haus ausgesucht. Er wollte jeden wissen lassen, dass er in Geld schwamm. Schließlich war er bloß ein Emporkömmling aus Amerika, der davon träumte, sich einen Titel zu erheiraten.
    Doch die Eingangshalle war mit Wandbehängen aus goldgelbem und dunkelgrünem Samt dekoriert sowie mit unzähligen Kristallvasen und facettierten Spiegeln von erlesenem Geschmack. Eleanor tröstete sich mit der Vorstellung, dass Mr. Knight das Haus in diesem Zustand gekauft hatte und beabsichtigte, es auszuweiden und mit golden glänzendem Plunder im chinesischen Stil anzufüllen – Eleanors Mundwinkel zuckten amüsiert -, einem gänzlich vulgären Stil, wie ihn allerdings ebenso der Prince of Wales favorisierte.
    Bridgeport entspannte sich und kehrte zu seiner stoischen Haltung zurück.
    Er betrachtete sie viel zu eingehend. Weil er sie für die Duchess hielt? Oder weil sein Herr es ihm aufgetragen hatte? Sie nahm den dunklen Hut ab, streifte die Handschuhe ab, legte sie in den Hut und reichte den Hut ohne äußere Anzeichen von Verunsicherung an den Butler weiter. Welchen Sinn hätte es auch gehabt, beunruhigt zu wirken? Es hätte nur einmal mehr gezeigt, dass sich Eleanor, obwohl sie als Gesellschafterin der Duchess das vom Krieg zerrüttete Europa bereist hatte, nicht den Schwung und den Mut erworben hatte, den Madeline beständig an den Tag legte. Am Mangel an Herausforderungen hatte es nicht gelegen; die beiden Frauen hatten viele Gefahren gemeistert. Es lag daran – Eleanor seufzte und gestattete dem Butler, ihr den
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