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Warum es die Welt nicht gibt

Warum es die Welt nicht gibt

Titel: Warum es die Welt nicht gibt
Autoren: Markus Gabriel
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und Zeit weismachen, wir seien im Grunde genommen ein »Sein-zum-Tode«. Authentizität oder Eigentlichkeit, wie er dies nannte, legten wir vor allem an den Tag, wenn wir jeden Moment im Licht unseres bevorstehenden Todes betrachteten. »Lebe, als seist du eigentlich schon tot!« ist allerdings in meinen Augen keine besonders ratsame Empfehlung (was man schon an der Fernsehserie Breaking Bad sehen kann, in der sich die todgeweihte Hauptfigur in einem Sumpf aus Drogen und Gewalt verliert). In einem ähnlichen Ton behauptete Kierkegaard, wir steckten notwendig in »Verzweiflung«, »Sünde« und »Angst« fest. Dies entspricht in etwa Lars von Triers Diagnose in seinem Film Melancholia , in dem ein fremder Planet mit der Erde kollidiert und die letzten Augenblicke vor der Auslöschung der Menschheit geschildert werden. Allerdings muss man hier bedenken, dass Lars von Trier diese Perspektive geschickt mit dem Sadismus identifiziert. Denn die düster-depressive Protagonistin von Melancholia heißt nicht zufällig Justine (dargestellt von Kirsten Dunst), was auch eine Anspielung auf ein gleichnamiges Werk des Marquis de Sade ist. 97
    Von der existentialistischen Depression muss man sich nicht anstecken lassen, wenn sie auch eine Gefahr darstellt, die wir schon als »modernen Nihilismus« kennengelernt haben. In den Sopranos befällt sie nur noch Anthony Junior, der über Umwege Nietzsche und Sartre bemüht, um zu einem unbeholfenen Selbstmordversuch zu gelangen, der freilich in Wahrheit ganz andere Motive hat als seinen pubertären Existentialismus. Der existentialistische Jammer stellt sich ein, wenn man vom Leben etwas erwartet, das es nicht gibt, nämlich Unsterblichkeit, ewige Glückseligkeit und eine Antwort auf alle unsere Fragen. Wenn man an das Leben auf diese Weise herangeht, wird man nun einmal enttäuscht.
    Genau gegen diesen Anspruch (und den unvermeidlichen Katzenjammer) tritt insbesondere Seinfeld an, Jerry Seinfelds großer Erfolg, der eine neue Ära der Fernsehserie eingeleitet hat. Die populäre Sitcom lief von 1989 bis 1998 in neun Staffeln. Sie wurde häufig als Kulminationspunkt der Postmoderne angesehen, da sie anscheinend mit der völligen Beliebigkeit spielt, die man mit der Postmoderne in Verbindung brachte.
    Ohne hier auf Details einzelner Folgen einzugehen, können wir uns zunächst die Grobstruktur von Seinfeld in Erinnerung rufen. Eine Gruppe New Yorker Freunde um den Komiker Jerry Seinfeld trifft sich und bespricht absurde Erfahrungen mit ihrer sozialen Lebenswirklichkeit, wozu insbesondere eine notorische Bindungsunfähigkeit gehört. Alle Bindungen sind locker und schwierig aufrechtzuerhalten. Dies ist letztlich das Einzige, was die Protagonisten Jerry, Kramer, Elaine und George zusammenhält. Innerhalb der Serie kommt George auf den Gedanken, mit Jerry eine »Show« auf den Markt zu bringen, in der es um ihr Alltagsleben geht. Mit anderen Worten, die Protagonisten kommen innerhalb der »Show« auf den Gedanken, die »Show« zu drehen. Dabei preist George den potentiellen Produzenten die Show als eine Show über nichts, eine show about nothing , an. Es geht in der Serie um nichts. Diese Aussage findet sich innerhalb der Serie. Eine »Show« ist wörtlich übersetzt ein »Zeigen«. Seinfeld zeigt, dass es nichts anderes zeigt als sich selbst. Es geht um nichts anderes, es gibt keine verborgene, tiefere Bedeutung. Die Bedeutung, der Sinn des Ganzen, liegt schon an der Oberfläche. Damit wendet sich die Serie gegen die Metaphysik, die annimmt, dass sich hinter der Welt, in der wir leben, eine wahre Wirklichkeit verbirgt, sei dies die Wirklichkeit der Physik oder irgendeine andere mystische Wahrheit. Dennoch hat alles einen Sinn, der sich in der Show selbst zeigt. Die Show ist deswegen ihr eigener Inhalt. Sie weist nicht über sich hinaus, sondern dreht sich konsequent um sich selbst (genauso wie die ganz fraglos etwas narzisstischen Charaktere). Seinfeld ist eine Serie, die sich selbst dreht, zumal auch noch ihre Produzenten in ihr selbst als Figuren auftauchen.
    Der andere Produzent von Seinfeld , Larry David, hat auf Seinfeld eine weitere Sitcom, Curb your Enthusiasm , folgen lassen. Curb your Enthusiasm geht dabei noch einen entscheidenden Schritt weiter als Seinfeld . Denn es geht in dieser Show nicht nur um nichts, sondern es geht darum, wie Larry, einer der Autoren der Show über nichts, versucht, nun seinem Alltagsleben einen Sinn zu geben. Innerhalb der Show versucht er, seine Frau, die
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