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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga
Autoren: Henning Mankell
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sie dann an Menschen weiterzugeben, die kein Recht auf diese geheimen Dokumente hatten. Wallander konnte von offizieller schwedischer Seite keine Rückendeckung erwarten.
    So würde es dargestellt werden, falls es überhaupt zu einer Veröffentlichung kam. Wallander dachte, daß er wohl niemals erfahren würde, warum Murniers es geschehen ließ. Tat er es für den Major? Für sein Land? Oder fand er, daß Wallander dieses Abschiedsgeschenk verdient hätte?
    Das Gespräch erstarb, es gab nichts mehr zu sagen.
    »Der Paß, den Sie im Moment besitzen, ist von äußerst zweifelhaftem Wert«, sagte Murniers. »Aber ich werde dafür sorgen, daß Sie ohne Probleme nach Schweden zurückkehren können. Wann wollen Sie fahren?«
    »Nicht schon morgen, wenn möglich«, antwortete Wallander. »Aber am Tag darauf.«
    Oberst Murniers begleitete ihn zu dem Wagen, der unten im Hof auf ihn wartete. Wallander fiel plötzlich sein eigener Peugeot ein, der in einer Scheune in Deutschland stand, irgendwo an der polnischen Grenze.
    »Ich frage mich, wie ich mein Auto nach Hause bekommen soll«, sagte er.
    Murniers sah ihn verständnislos an. Wallander sah ein, daß er niemals erfahren würde, wie nahe Murniers den Menschen stand, die sich selbst als eine Garantie für eine bessere Zukunft in Lettland betrachteten. Er hatte nur an der Oberfläche gekratzt, mehr hatte man nicht zugelassen. Diesen Stein würde er niemals umdrehen können. Murniers wußte schlicht und ergreifend nicht, wie Wallander nach Lettland gekommen war.
    »Schon gut«, sagte Wallander.
    Dieser verfluchte Lippman, dachte er wütend. Ich frage mich, ob diese lettischen Organisationen geheime Fonds haben, aus denen sie schwedischen Polizisten eine Entschädigung für verschwundene Autos zahlen können.
    |341| Er fühlte sich gekränkt, ohne zu wissen, warum. Wieder einmal dachte er, daß immer noch die große Müdigkeit sein Gehirn lenkte. Erst wenn er sich ausgeruht hatte, würde sein Urteilsvermögen wieder zuverlässig sein.
    Sie verabschiedeten sich vor dem Auto, das Wallander zu Baiba Liepa bringen sollte.
    »Ich werde Sie zum Flughafen begleiten«, sagte Murniers. »Sie werden zwei Flugtickets bekommen, eins von Riga nach Helsinki und eins von Helsinki nach Stockholm. Soweit ich weiß, gibt es zwischen den skandinavischen Ländern keine Paßkontrollen. Es wird also niemand erfahren, daß Sie in Riga gewesen sind.«
    Der Wagen verließ den Polizeihof. Eine Fensterscheibe trennte Wallander von dem vor ihm sitzenden Fahrer. Wallander saß in der Dunkelheit und dachte an Murniers’ Worte. Niemand würde erfahren, daß er in Riga gewesen war. Ihm wurde klar, daß er es selbst niemals erzählen würde, nicht einmal seinem Vater. Es würde schon deshalb ein Geheimnis bleiben, weil alles einfach zu unwahrscheinlich war, zu unglaublich. Wer würde ihm das schon abnehmen?
    Er lehnte sich im Sitz zurück und schloß die Augen. Nun war die Begegnung mit Baiba Liepa das Wichtigste. Über das, was bei seiner Rückkehr nach Schweden geschah, konnte er nachdenken, wenn es soweit war.
     
    Er verbrachte zwei Nächte und einen Tag in Baiba Liepas Wohnung. Obwohl er die ganze Zeit über auf den richtigen Augenblick wartete, stellte der sich niemals ein. Er offenbarte ihr seine widersprüchlichen Gefühle nicht. Am nächsten kam er ihr am zweiten Abend, als sie nebeneinander auf dem Sofa saßen und sich Bilder in einem Fotoalbum anschauten. Als er aus dem Wagen gestiegen war, der ihn von Murniers zu ihrem Haus gefahren hatte, war sie ihm reserviert begegnet, als wäre er für sie wieder zu einem Fremden geworden. Er geriet völlig aus der Fassung, ohne zu wissen, warum. Was hatte er denn |342| eigentlich erwartet? Sie kochte ihm etwas zu essen, einen Eintopf, dessen wichtigste Zutat ein zähes Huhn war, und Wallander konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Baiba Liepa nicht gerade eine begnadete Köchin war. Ich darf nicht vergessen, daß sie eine Intellektuelle ist, dachte er. Sie ist ein Mensch, der vermutlich mehr Energie darauf verwendet, von einer besseren Gesellschaft zu träumen, als eine Mahlzeit zuzubereiten. Wir brauchen die Träumer und Denker wie die praktisch und häuslich veranlagten Menschen, aber sie können wohl nur selten gut miteinander auskommen.
    Wallander wurde von stiller Melancholie erfaßt, die er jedoch verbarg. Er stellte sich vor, daß er zu den kochenden Menschen gehörte. Er gehörte nicht zu den Träumern. Ein Polizist ließ sich nicht von
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