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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel
Autoren: Manfred Megerle
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Prolog
    Eine bange Sekunde lang stand die Flasche auf der Kippe, schwebte gleichsam in der Luft, bevor sie sich langsam zur Seite neigte und schließlich auf dem schmutzigen Betonboden zerschellte.
    Erschrocken fuhr Havanna hoch; der Klappstuhl, auf dem er gedöst hatte, ächzte bedrohlich. Schon zog der Geruch billigen Fusels durch den Raum, kroch in Windeseile in alle Ritzen und machte die Luft in dem dumpfen Kellergelass noch ein bisschen stickiger, falls das überhaupt möglich war.
    Â»Heilige Scheiße! Was hast du getan? Das war unser letzter Stoff!« Die keifende Stimme gehörte Einstein, der seit Stunden auf einer Matratze am Boden gelegen und teilnahmslos vor sich hingestiert hatte.
    Der kleine, dürre Mann wollte sich von seinem Lager erheben, da stieß ihn Havanna ungestüm zurück. »Lass den Blödsinn, oder willst du dich verletzen?«, schimpfte er. Nach seiner Ansicht war es um den Fusel nicht schade, ohnehin war der größere Teil davon bereits durch Einsteins Kehle geronnen. Da gab es nun mal nichts zu beschönigen: Sein Kumpel hing an der Flasche. Kein Wunder bei diesem Lebenswandel!
    Er rückte die viel zu kleine Nickelbrille zurecht, die ihm permanent von der Nase zu rutschen drohte und seinem vollen Gesicht etwas seltsam Groteskes verlieh. »Du bist jetzt reich, steinreich sogar! Bald kannst du dir so viel Schnaps kaufen, wie du willst. Meinetwegen kannst du dir sogar die Gurgel absaufen, ich hindere dich nicht daran.«
    Â»Zum Teufel mit deinem Reichtum – ich brauch heute was, nicht erst am Sankt Nimmerleinstag!«
    Â»Da hab ich wohl den richtigen Augenblick erwischt«, sagte in diesem Augenblick eine kratzige Stimme. Ohne auch nur das geringste Geräusch verursacht zu haben, war ein rothaariger Mann in den Raum getreten. Mit aufreizender Langsamkeit stolzierte er näher, ließ die flinken Augen hierhin und dorthin schweifen, immer wieder ob des Miefes die Nase rümpfend.
    Verblüfft verfolgten die beiden Penner jeden seiner Schritte. Als Erster erholte sich Havanna von seiner Überraschung.
    Â»Sieh an, sieh an! Der Herr kommt spät, doch er kommt! Was verschafft uns die Ehre?« Sein Blick flog über das glatte, jovial lächelnde Gesicht des Rothaarigen, abschätzig musterte er den weißen Anzug, der so ganz und gar nicht in dieses verwahrloste Kellerverlies passen wollte.
    Ohne auf die Frage einzugehen, trat der Besucher an den wackligen Tisch, stellte eine Flasche mit einer glasklaren Flüssigkeit darauf ab und sagte: »Hier, mein Gastgeschenk. Tut mir leid, wenn ich so hereinplatze. Aber es gibt da eine wichtige Angelegenheit, über die wir sprechen sollten. Eine Angelegenheit, die leider keinen Aufschub duldet. Ich nehme an, ihr wisst, wovon ich rede.«
    Kaum stand die Flasche auf dem Tisch, sprang Einstein auf. »Wodka Gorbatschow«, hauchte er entzückt und leckte sich die Lippen. Gierig streckte er den Arm aus.
    Â»Nicht so schnell, mein Freund«, kam der Rothaarige ihm zuvor und hielt die Flasche am ausgestreckten Arm in die Höhe. So hoch der schmächtige Einstein auch sprang, er konnte sie nicht erreichen.
    Â»Lass das, Einstein«, fuhr Havanna seinen Kumpel an. »Merkst du nicht, was hier gespielt wird?«
    Er stand auf, packte den Dürren grob am Arm und zerrte ihn zur Matratze zurück. Dann wandte er sich wieder dem Besucher zu.
    Â»Besprechen? Ich wüsste nicht, was es zwischen uns zu besprechen gäbe«, sagte er bestimmt.
    Â»Komm, Havanna, stell dich nicht dümmer, als du bist.«
    Â»Also gut, reden wir nicht lange drum herum: Ihr seid scharf auf den Zaster, stimmt’s?«
    Der Rothaarige nickte. »Du hast es erfasst!«
    Â»Vergessen Sie’s. Das Geld bleibt, wo es ist«, erklärte Havanna mit Nachdruck.
    Â»Genau!«, bekräftigte Einstein und ließ ein schrilles Kichern folgen. »Wenigstens diesmal hat der Segen die Richtigen getroffen!«
    Langsam, wie um Zeit zu gewinnen, umrundete der Rothaarige den klapprigen Tisch, verweilte kurz vor Einsteins Matratze, musterte eingehend die Batterie leerer Flaschen, die in einer Ecke des Raums stand und für die Trinkfestigkeit seiner Bewohner zeugte, ehe er sich erneut vor Havanna aufpflanzte.
    Â»Ist das euer letztes Wort?«, fragte er lauernd.
    Â»Unser allerletztes«, nickte Havanna.
    Höhnisch verzog der Rothaarige das Gesicht. »Ihr tut so, als handle es sich um Peanuts.
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