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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel
Autoren: Manfred Megerle
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fort. Wenn nur dieser widerlich zähe Nebel nicht wäre! Er hatte den See vollkommen verschluckt, nicht einmal das Ufer war zu sehen. Nach seiner Einschätzung konnte es jedoch nicht mehr weit sein. Und tatsächlich, da vorne, keine hundert Meter voraus, waren Blaulichter zu erkennen. Also hatte er richtig vermutet: Der Fundort der Leichen lag kurz vor dem ehemaligen Kloster Maurach, das inzwischen zur Schulungsstätte einer deutschen Großbank degradiert worden war. »Hätte das verdammte Boot nicht ein paar Meter weiter östlich an Land treiben können?«, schimpfte Wolf leise. Dann hätte es sich jenseits der Überlinger Gemarkungsgrenze befunden und die Kollegen aus Meersburg wären zuständig gewesen.
    Stattdessen lag es direkt vor dem letzten Nussdorfer Anwesen. »Ferienpension Seevilla« stand über dem von Buschrosen flankierten Tor, das zu den Parkplätzen vor der Villa führte. Gute Lage, inmitten eines weitläufigen Obst- und Gemüsegartens, obendrein mit einem traumhaft schönen Privatstrand gesegnet. Wolf kannte das Haus und seine Besitzerin flüchtig.
    Vor dem Tor stand das Fahrzeug des Notarztes, dicht dahinter ein Streifenwagen, beide mit laufendem Blaulicht. Gerade wollte er rechts ranfahren und absteigen, da stellte sich ihm ein junger Schutzpolizist in den Weg.
    Â»Bitte fahren Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen«, forderte er barsch.
    Wolf, ganz in Gedanken, überhörte die Aufforderung. Er lehnte sein Fahrrad an die von einem schmiedeeisernen Gitter gekrönte Mauer, holte eine Packung Gitanes hervor und zündete sich einen der Glimmstängel an.
    Â»Sind Sie taub, Mann?«, fuhr ihn der junge Beamte an. »Setzen Sie sich gefälligst auf Ihren Drahtesel und fahren Sie weiter!«
    Währenddessen hatte der Nebel eine schemenhafte Gestalt ausgespuckt, die vom Seeufer her rasch näher kam – ein Kerl wie ein Kleiderschrank, den Kragen seines dunkelgrauen Parkas hochgeschlagen und in der Rechten eine Ledertasche tragend.
    Â»Mach gefälligst nicht so ‘n Wind. Du wirst doch wohl deinen Kollegen von der Kripo erkennen«, pflaumte der Notarzt den jungen Beamten an. Mit einem freundschaftlichen »Hallo, Leo!« stellte er seine Tasche ab und schüttelte Wolfs Hand.
    Â»Meine Schuld«, brummte Wolf und hielt dem Kollegen seinen Dienstausweis hin. Verdattert entschuldigte sich der Uniformierte.
    Irgendwie konnte Wolf den Mann sogar verstehen. Ein Kriminalhauptkommissar, der sein unmodisch weites Beinkleid mit Hosenklammern sicherte, um es vor der gefräßigen Kette zu schützen; der in aberwitzig schrägem Sitz ein Barett auf dem Kopf trug, das jeden Augenblick abzustürzen drohte. Wenn es um die äußere Erscheinung ging, dann wäre er bei einigen Kollegen bestenfalls als Reklamefigur für einen französischen Aperitif durchgegangen. Doch das juckte ihn wenig, käme diese Rolle seiner frankophilen Neigung doch nur entgegen.
    Â»Erst mal guten Morgen zusammen«, grüßte er versöhnlich. »Wie sieht’s bei euch aus?«
    Â»Pfui Deibel, Leo, dein Kraut stinkt ja grässlich.« Scheinbar angewidert verzog der Doktor das Gesicht, ehe er grinsend Wolfs Frage beantwortete. »Die Kollegen von der Wasserschutzpolizei haben das Boot mit den beiden Leichen am Ufer festgemacht.« Unbestimmt wies er zum See hinunter, wo der Lichtkegel eines starken Scheinwerfers die fragliche Stelle markierte.
    Â»Weiß man inzwischen, wer die beiden Toten sind?«
    Â»Zwei Berber, wenn du mich fragst.«
    Â»Berber?«
    Â»Na, Penner, Obdachlose, du weißt schon. Genaueres erfährst du unten von deinen Kollegen. Jedenfalls sind beide mausetot.«
    Â»Und wie lautet deine Diagnose?«
    Â»Tod durch Unterkühlung in Kombination mit exzessivem Alkoholkonsum, würde ich sagen. Meinetwegen auch umgekehrt. Auf gut Deutsch: im Suff erfroren. Keinerlei Anzeichen von Fremd- oder gar Gewalteinwirkung, soweit ich feststellen konnte. Sieht ganz so aus, als wärst du umsonst hergestrampelt.«
    Â»Wer hat sie gefunden?«
    Â»Zwei Fischer. Die WaPo hat ihre Aussagen aufgenommen.«
    Â»Lässt sich schon etwas zum Todeszeitpunkt sagen?«
    Bedächtig wiegte der Doc den Kopf: »Schätze, zwischen Mitternacht und zwei Uhr. Genaueres muss die Obduktion ergeben. So, Leute, ich muss dann wieder. Mach’s gut, Leo, bis zum nächsten Mal!«
    Der Notarzt nickte dem
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