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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel
Autoren: Manfred Megerle
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wohltuend auf die
     Seele wirkte. Wolf hingegen schien gegen solcherlei Anwandlungen gefeit. Er
     hatte sich eine seiner gefürchteten filterlosen Gitanes angesteckt, die er
     stets nur zur Hälfte rauchte, ganz so, als würde ihm selbst übel davon.
    Die Überfahrt nach Wallhausen dauerte etwas mehr als
     eine Viertelstunde. Während dieser Zeit war die drückende Schwüle wenigstens
     halbwegs zu ertragen.
    Â»Wo genau ist denn der Fundort der Leiche?«, brach Jo
     schließlich das Schweigen.
    Einige Sekunden verstrichen, ehe Wolf antwortete.
     »Etwa achthundert Meter oberhalb Wallhausen, in einem Buchenwäldchen unweit der
     L219.«
    Â»Und wie kommen wir dahin? Doch nicht zu Fuß?« Jo
     blickte skeptisch auf ihr wenig geländegängiges Schuhwerk.
    Â»Keine Sorge, die Konstanzer Kollegen schicken einen
     Wagen.«
    Â»Onkel Lu hatte recht: Wieso kümmern eigentlich wir uns um den Fall – vorausgesetzt, es ist einer? Der
     Fundort liegt auf Konstanzer Gebiet.«
    Wolf warf seine Kippe in den See. »Der Tote heißt
     Stanislaus Ploc, ein Pole, von Beruf Lastwagenfahrer. Wohnte auf unserer Seite
     des Sees, in Ludwigshafen, deshalb hat man uns verständigt.«
    Â»Gibt es einen Abschiedsbrief?«
    Â»Keine Ahnung. Warten wir’s ab. Und ehe du mich weiter
     löcherst: Auch ob die Leiche schon untersucht wurde, weiß ich nicht.«
    Minuten später legte die »Möwe« an, und sie stiegen in
     den bereitstehenden Streifenwagen. Das letzte Wegstück durch den Wald hätte bei
     empfindsamen Gemütern durchaus Kopfschmerzen oder gar Übelkeit auslösen können.
     Das lag jedoch weniger am Zustand des Weges als an dem draufgängerischen
     Fahrstil des Konstanzer Kollegen.
    Endlich waren sie da. Das Areal war nicht abgesperrt,
     niemand würde sich um diese Zeit dorthin verirren. Sie gingen das letzte Stück
     zu Fuß. Nach einer Weile passierten sie einen zweiten Wagen, vermutlich das
     Dienstfahrzeug der Kripo Konstanz, und erreichten schließlich eine kleine
     Lichtung. Zwei Uniformierte waren gerade dabei, den Waldboden nach eventuellen
     Spuren abzusuchen.
    Ãœber der am Boden liegenden leblosen Gestalt wölbte
     sich die Krone einer mächtigen Buche. Von einem der Äste baumelte noch das
     Seil. Die Schlinge fehlte, man hatte den Toten einfach abgeschnitten. Es
     handelte sich um einen etwa fünfzigjährigen, hager wirkenden Mann mit
     Dreitagebart, bekleidet nur mit einer reichlich zerschlissenen Arbeitshose und
     Turnschuhen. Sein stark behaarter Oberkörper war nackt. Neben ihm lag ein
     ehemals gelbes T-Shirt, auf dem Jo mit Mühe die Aufschrift » HOHBAU « entziffern konnte. Deutlich zu erkennen dagegen
     waren die rötlich violetten Strangulierungsmale am Hals des Toten. Eine Frau
     beugte sich über den Leichnam, ihr weißer Overall und der Instrumentenkoffer
     wiesen sie als Ärztin aus. Sie nickte den Neuankömmlingen kurz zu und setzte
     dann ihre Untersuchung fort. Ein umgestoßener Campingstuhl, der etwa einen
     Meter neben dem reglosen Körper lag, rundete das Bild ab.
    Ein Kripobeamter in Zivil tauchte neben ihnen auf und
     grüßte. Wolf hob nur flüchtig die Hand, eine Reaktion, die Jo nicht fremd war.
     Wahrscheinlich hadert er jetzt wieder mit seinem Namensgedächtnis, dachte sie.
     Sie kannte seine Schwäche, Namen zu vergessen – ein Manko, das ihn zunehmend
     belastete, wie er ihr einmal gestanden hatte.
    Der Kollege hielt Wolf eine grüne Kunststoffbox hin.
     Wie die beiden Uniformierten trug auch er die bei der Polizei üblichen weißen
     Latexhandschuhe. »Da ist alles drin, was wir in den Taschen des Toten gefunden
     haben: Ausweis, Führerschein, Schlüssel, EC -Karte,
     eine kleinere Summe Bargeld, ein paar Fotos. Was man eben so bei sich trägt.
     Ach ja, und dann noch das hier, eine Kunststoffschlaufe. Haben die Kollegen auf
     dem Boden gefunden, unter dem Laub.«
    Wolf nahm das Ding in die Hand und drehte es hin und
     her. »Was ist das?«
    Â»Wissen wir nicht. Kann sein, es hat gar nichts mit
     dem hier zu tun.« Mit einer flüchtigen Handbewegung wies der Beamte auf den
     Toten.
    Â»Kein Abschiedsbrief?«, fragte Jo.
    Â»Wie man’s nimmt. Diese Hülle hier war ebenfalls bei
     seinen Sachen. Den Zettel, der drinsteckt, könnte man als solchen deuten.« Er
     zog ein Papier heraus und entfaltete es.
    Mit
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