Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel
Autoren: Manfred Megerle
Vom Netzwerk:
irgendwo sein.«
    Er hatte kaum ausgesprochen, da riss der Nebel für einen kurzen Augenblick auf, und sie konnten den drohenden Aufprall mit einem schnellen Ruderschwenk gerade noch verhindern.
    Also doch! Nur wenige Meter vor ihnen lag das gesuchte Boot.
    Es war eines der bunten Kunststoffruderboote, wie sie in der Urlaubszeit an den meisten Orten rund um den See an Touristen vermietet wurden. Schmatzend schaukelte es in der langen Dünung. Bei jedem Auf und Ab schlugen die heraushängenden Riemen vernehmlich an den Bootsrumpf, unterbrochen von einem klirrenden Rollgeräusch, dem in gleichmäßigen Abständen ein heller Aufprall folgte.
    Der aufgemalten Nummer nach stammte der Kahn aus Überlingen. Nichts an ihm war auffällig, sah man einmal davon ab, dass die beiden Passagiere sich seltsam starr verhielten.
    Es handelte sich um zwei ältere Männer, wie sie vom Typus her nicht unterschiedlicher hätten sein können. Während der eine, ein spindeldürres Kerlchen mit langen, ungepflegten Haaren und reichlich abgetragenen Klamotten, lang ausgestreckt auf dem Schiffsboden lag und zu dösen schien, kniete der zweite an der gegenüberliegenden Bordwand und wandte den Fischern den Rücken zu. Da sein Oberkörper über der Reling hing, entzog sich sein Kopf ihren Blicken. Eines jedoch war nicht zu übersehen: Was dem Dürren an Leibesumfang fehlte, hatte der andere zu viel auf den Rippen. Das erklärte zu einem guten Teil auch die Schlagseite des Bootes.
    Langsam umfuhren die beiden Fischer das Ruderboot, ohne darauf auch nur die geringste Bewegung wahrzunehmen. Als sie auf der anderen Seite waren, wussten sie, warum. Ungläubig starrten sie auf den knienden Mann, dessen Kopf und Unterarme schlaff aus dem Boot hingen und bei jeder Welle erneut ins Wasser tauchten, ohne dass der Mann ein Lebenszeichen von sich gegeben hätte. Wasser und Kälte hatten ihm bereits mächtig zugesetzt: Sein Gesicht, glatt und rund wie ein Kinderpopo, war aufgedunsen und ob der Kälte bläulich angelaufen.
    Jetzt endlich entdeckten die Fischer auch die Ursache des seltsamen Rollgeräuschs. Auf dem Boden lagen mehrere leere Schnapsflaschen, die vom rhythmischen Schwanken des Bootes hin und her gerollt wurden, immer wieder an die Bordwand prallten.
    Â»Ich fürchte, da ist nichts mehr zu machen«, murmelte der ältere der beiden Fischer betroffen. Ihn fröstelte, ohne dass er hätte sagen können, ob es an dem grauenhaften Anblick vor ihnen oder den feuchtkalten Nebelschleiern ringsum lag. »Ruf auf alle Fälle den Notarzt!«
    Â»Bin schon dabei.«
    Nach dem Gespräch steckte der junge Mann sein Handy wieder ein. »Der Notarzt wird in wenigen Minuten hier sein«, verkündete er erleichtert. »Die in der Zentrale verständigen auch gleich die Polizei. Wir sollen hier warten, aber das Boot nicht anrühren.«
    Pikiert zog der Ältere die Augenbrauen hoch: »Die halten uns wohl für bescheuert, was?«, brummte er.
    * * *
    Kurz vor sieben schrillte Wolfs Telefon. Fischer hätten in einem Ruderboot zwei Tote gefunden, draußen auf dem See, direkt vor der Birnau. Es sei ein reiner Routinefall, und ob er nicht … es läge ja quasi auf seinem Weg …
    Am liebsten hätte er dem Kollegen von der Bereitschaft in den Hintern getreten. Doch es half nichts: Unklaren Todesfällen musste von Gesetzes wegen nachgegangen werden, und das fiel nun mal in die Zuständigkeit des ersten Dezernates, das er seit mehr als zwanzig Jahren leitete und in dem er in nicht allzu ferner Zeit – immerhin war er dreiundsechzig – seinen aktiven Dienst zu beenden gedachte. Da er in Nussdorf wohnte, nur etwas mehr als einen Kilometer vom Fundort der Leichen entfernt, lag es nahe, ihm diese Sache aufzuhalsen – rein ökonomisch betrachtet. Doch wie sollte er einer ökonomischen Betrachtung etwas abgewinnen, die ihm einen Umweg von fast drei Kilometern abverlangte? Ausgerechnet ihm, der zu Umwegen ein eher gespaltenes Verhältnis hatte, was jeder halbwegs überzeugte Radfahrer sicher mühelos nachvollziehen konnte. Dabei hatte er sich diese Suppe selbst eingebrockt. Hätte er nicht damals, nach dem Tod seiner Frau, in einem Anflug von Resignation den Wagen verkauft und wäre aufs Rad umgestiegen, bräuchten ihn derlei Abstecher nicht sonderlich zu jucken.
    Seufzend setzte er seine Fahrt auf der Uferstraße
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher