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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga
Autoren: Henning Mankell
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seine Uniformjacke steckte, begriff Wallander mit vernichtender Klarheit, daß er soeben |333| den größten aller Fehler begangen hatte. Er wußte, ohne zu wissen, Intuition und Intellekt gingen ineinander über, und er bekam einen völlig trockenen Mund.
    Putnis lächelte weiter, während er eine Pistole aus der Tasche zog. Gleichzeitig kamen seine Männer näher, verteilten sich auf dem Dach und richteten ihre Maschinenpistolen auf Baiba und Wallander. Sie schien nicht zu verstehen, was geschah, und Wallanders Kehle war wie zugeschnürt von Erniedrigung und Angst. In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und Sergeant Zids trat auf das Dach hinaus. Wallander fuhr der Gedanke durch den Kopf, daß Zids hinter der Tür gestanden und auf seinen Auftritt gewartet hatte. Jetzt war die Vorstellung vorbei, und er brauchte nicht länger in den Kulissen zu warten.
    »Ihr einziger Fehler«, sagte Putnis mit ausdrucksloser Stimme. »Alles, was ich gerade erzählt habe, entspricht natürlich voll und ganz der Wahrheit. Das einzige, was meine Worte von der Wirklichkeit trennt, bin ich selbst. All meine Aussagen über Murniers treffen auf mich zu. Sie hatten also gleichzeitig recht und unrecht, Kommissar Wallander. Wären Sie Marxist wie ich, hätten Sie begriffen, daß man die Welt hin und wieder auf den Kopf stellen muß, um sie auf die Füße zu bekommen.«
    Putnis trat ein paar Schritte zurück.
    »Ich hoffe, Sie sehen ein, daß Sie nicht nach Schweden zurückkehren können«, sagte er. »Wenigstens sind Sie dem Himmel nahe, hier oben auf dem Dach, wenn Sie sterben, Kommissar Wallander.«
    »Nicht Baiba«, flehte Wallander. »Nicht Baiba.«
    »Tut mir leid«, erwiderte Putnis.
    Er hob seine Waffe, und Wallander sah, daß er Baiba zuerst erschießen wollte. Er konnte nichts machen, er würde auf diesem Dach im Zentrum von Riga sterben.
    Wieder wurde die Feuerschutztür aufgestoßen. Putnis zuckte zusammen und wandte sich dem unerwarteten Geräusch zu. An der Spitze einer großen Zahl bewaffneter Männer |334| trat Oberst Murniers auf das Dach hinaus. Als er Putnis mit gezogener Pistole erblickte, zögerte er keine Sekunde. Er hatte bereits seine eigene Waffe in der Hand und jagte Putnis drei rasch aufeinanderfolgende Kugeln in die Brust. Wallander warf sich schützend über Baiba. Auf dem Dach brach ein schweres Feuergefecht aus. Murniers’ und Putnis’ Männer suchten hinter Schornsteinen und Luftschächten Deckung. Wallander erkannte, daß er mitten in der Schußlinie gelandet war, und versuchte, Baiba mit sich zu ziehen, um hinter Putnis’ leblosem Körper Schutz zu suchen. Plötzlich erblickte er Sergeant Zids, der hinter einem der Schornsteine hockte. Ihre Blicke trafen sich, dann wanderte Zids Blick zu Baiba, und Wallander begriff augenblicklich, daß er die Absicht hatte, Baiba oder sie beide als Geiseln zu nehmen, um mit heiler Haut davonzukommen. Murniers’ Männer waren zahlenmäßig überlegen, und mehrere von Putnis’ Polizisten waren bereits gefallen. Wallander sah Putnis’ Pistole neben dessen Körper liegen. Aber bevor er sie erreichen konnte, hatte Zids sich schon auf ihn gestürzt. Wallander schlug ihm mit der verletzten Faust ins Gesicht und schrie vor Schmerz auf. Zids zuckte unter dem Schlag zusammen, sein Mund blutete, aber er war durch Wallanders verzweifelte Attacke nicht ernstlich verletzt worden. Haß lag in seinem Gesichtsausdruck, als er die Hand hob, um den schwedischen Polizisten zu erschießen, der ihm und seinem Vorgesetzten so viele Probleme bereitet hatte. Wallander wußte, daß er nun sterben würde, und schloß die Augen. Aber als der Schuß dann fiel und er immer noch lebte, öffnete er die Augen wieder. Baiba kniete neben ihm. Sie hielt Putnis’ Pistole in ihren Händen, sie hatte nur einen einzigen Schuß abgefeuert, der Sergeant Zids mitten zwischen die Augen getroffen hatte. Sie weinte, aber jetzt aus Wut und Erleichterung, nicht mehr aus der Angst und Unsicherheit, die sie so lange mit sich herumgetragen hatte.
    Das Gefecht auf dem Dach endete genauso plötzlich, wie es begonnen hatte. Zwei von Putnis’ Männern waren verletzt, die |335| übrigen waren tot. Murniers betrachtete traurig einen seiner eigenen Männer, den eine Kugelsalve in die Brust niedergestreckt hatte. Danach kam er zu ihnen hinüber.
    »Es tut mir leid, daß es so kommen mußte«, entschuldigte er sich. »Aber ich mußte einfach herausbekommen, was Putnis zu sagen hatte.«
    »Das kann man sicher auch den
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