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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga
Autoren: Henning Mankell
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Hoffnung, eine Hintertreppe oder einen Notausgang zu finden. Die Beschatter waren nähergekommen, sie betrieben ihre Jagd jetzt ganz offen, und Wallander zerrte und rüttelte an Türen, die sich nicht öffnen wollten. Schließlich entdeckte er eine angelehnte Tür, sie kamen auf eine Hintertreppe hinaus, hörten aber von unten bereits näherkommende Schritte. Menschen waren auf dem Weg zu ihnen, und ihre einzige Chance bestand darin, die Treppen hochzulaufen.
    Er riß eine Feuerschutztür auf, und sie gelangten auf das kiesbedeckte Dach hinaus. Er sah sich nach einem Fluchtweg um, aber sie saßen unwiderruflich in der Falle. Vom Dach führte nur noch der große Sprung in die Ewigkeit. Er merkte, daß er Baiba immer noch an der Hand hielt. Nun hatten sie keine andere Wahl mehr, als zu warten. Er wußte, daß der Oberst, der nun bald auf das Dach hinaustreten würde, der Mörder des Majors war. Von der grauen Feuerschutztür sollten sie endlich die Antwort bekommen, und er dachte bitter, daß es nun keine Rolle mehr spielte, ob er richtig geraten hatte.
    Aber als die Tür geöffnet wurde und Oberst Putnis mit ein paar seiner bewaffneten Männer hinaustrat, war er doch erstaunt, daß er sich geirrt hatte. Er war zu dem Schluß gelangt, daß Murniers das Monster war, das sich so lange in den Schatten versteckt gehalten hatte.
    Putnis kam langsam auf sie zu, und sein Gesicht war sehr ernst. Wallander spürte, wie sich Baibas Fingernägel in seine Hand krallten. Er kann seinen Männern doch nicht befehlen, |329| uns hier zu erschießen, dachte Wallander verzweifelt. Oder etwa doch? Die Erinnerung an die brutale Hinrichtung von Inese und ihren Freunden stieg wieder in ihm auf, seine Angst war plötzlich überwältigend, und er merkte, daß er zitterte.
    Da verzog sich Putnis’ Gesicht zu einem Lächeln, und Wallander stellte verwirrt fest, daß ihm da kein Raubtier zulächelte, sondern ein Mann, der sehr herzlich wirkte.
    »Sie brauchen nicht so bestürzt auszusehen, Herr Wallander. Es hat den Anschein, als glaubten Sie, daß ich hinter diesem ganzen Durcheinander stecke. Aber ich muß sagen, daß Sie sich wirklich nur schwer beschützen lassen.«
    Einen Augenblick lang konnte Wallander keinen klaren Gedanken fassen. Dann sah er ein, daß er recht behalten hatte. Nicht Putnis, sondern Murniers war der Handlanger des Bösen, den er so lange gesucht hatte. Außerdem hatte er mit seiner Annahme richtiggelegen. Sogar der Feind hatte einen Feind: Plötzlich sah er alles ganz deutlich vor sich, sein Urteilsvermögen hatte ihn nicht im Stich gelassen, und er streckte Putnis seine linke Hand zur Begrüßung entgegen.
    »Ein etwas ungewöhnlicher Treffpunkt«, sagte Putnis lächelnd. »Aber Sie sind anscheinend ein Mann der Überraschungen. Ich muß gestehen, daß ich mich frage, wie Sie sich ins Land geschmuggelt haben, ohne daß unser Grenzschutz es bemerkt hat.«
    »Ich weiß es selbst kaum«, antwortete Wallander. »Das ist eine sehr lange und teilweise verwirrende Geschichte.«
    Putnis betrachtete besorgt seine verletzte Hand.
    »Die sollten Sie so schnell wie möglich behandeln lassen«, meinte er.
    Wallander nickte und lächelte Baiba zu. Sie war immer noch angespannt und schien nicht zu verstehen, was um sie herum geschah.
    »Murniers«, sagte Wallander. »Er war es also?«
    Putnis nickte.
    »Major Liepa hatte recht mit seinem Verdacht.«
    |330| »Vieles verstehe ich noch nicht«, sagte Wallander.
    »Oberst Murniers ist ein sehr intelligenter Mann«, antwortete Putnis. »Er ist bestimmt bösartig, was aber leider nur beweist, daß manche messerscharf denkenden Gehirne Grausamkeiten ersinnen.«
    »Ist das wahr?« fragte Baiba plötzlich. »Hat er meinen Mann getötet?«
    »Nicht er persönlich hat ihm den Schädel zertrümmert«, sagte Putnis. »Es war wohl eher sein ihm treu ergebener Sergeant.«
    »Mein Chauffeur«, meinte Wallander. »Sergeant Zids, der Inese und die anderen in dem Lagerhaus tötete.«
    Putnis nickte.
    »Oberst Murniers hat die lettische Nation nie gemocht«, erklärte Putnis. »Auch wenn er die Rolle des Polizisten gespielt hat, der die politische Welt professionell auf Abstand hält, ist er ein fanatischer Anhänger der alten Ordnung. Für ihn wird Gott immer im Kreml sitzen. Deshalb konnte er ungestört eine unheilige Allianz mit einer Reihe von Verbrechern eingehen. Als Major Liepa allzu aufdringlich wurde, legte er verschiedene Fährten aus, die in meine Richtung führen sollten. Ich muß zugeben,
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