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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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Buch 1: Drachentöter
Prolog
    Sorgfältig wischte Loridan das dampfende, schwarze Blut von der Klinge seines Schwertes. Der erste Gedanke eines Drachentöters nach einem Kampf gehörte seiner Waffe – sofern nicht der Schwertbruder ernstlich verwundet war. Er ging zu Herubald hinüber, der auf der anderen Seite des Drachen stand, dort, wo er den tödlichen Streich gegen den Hals der Bestie geführt hatte. Eine von Herubalds Beinschienen hatte sich gelöst und hing schräg an seinem Schenkel, darunter sickerte Blut hervor, doch der Drachentöter schien die Verletzung gar nicht zu beachten. Der Boden war getränkt mit Blut, das aus einer klaffenden Wunde im Hals des getöteten Drachen immer noch hervorquoll. Die Schwertbrüder traten aufeinander zu und umarmten sich, dann knieten sie nieder, um das Dankgebet zu Firion zu sprechen.
    Ihre Reitechsen, die den Geruch des Drachen fürchteten, hatten sie nahebei zurückgelassen, am Saum eines kleinen Waldes. Die Tiere zischten unruhig, als die beiden Drachentöter sich ihnen näherten. Loridan half Herubald dabei, die Beinschiene abzulegen und die Verletzung zu versorgen. Die Wunde war nicht tief, und er konnte die Blutung schnell stillen. Dann zog er die Axt aus der Schlaufe an seinem Sattel und ging zurück zum Kadaver des Drachen, um die Reißzähne der Bestie herauszubrechen. Jeder der beiden Drachentöter hatte Anspruch auf einen der Zähne, als Zeichen ihres Triumphs.
    Kurz bevor er den Schauplatz des Kampfes erreichte, sah Loridan eine Bewegung. Sollte doch noch Leben in dem gewaltigen Körper stecken? Eine Bodenwelle versperrte dem Ritter die direkte Sicht auf den Drachen. Er näherte sich vorsichtig und nutzte die Deckung von Bäumen und Büschen. Schließlich sah er ihn: Ein zweiter Drache beugte sich über den toten Artgenossen, womöglich noch größer als der erste. Rot und braun waren seine Schuppen. Schnell verbarg sich Loridan hinter einem Strauch, begleitet von einem scheppernden Geräusch seiner Rüstung. Der Kopf des Drachen fuhr ruckartig herum, richtete sich auf das Gebüsch, das dem Drachentöter als Deckung diente. Loridan blickte in die funkelnden Augen der Bestie.

Von der Stadt her ertönte das schrille Signal einer Kriegspfeife, und Danira beeilte sich, das dichte Gestrüpp am Hang des Hügels zu erreichen. Sie tauchte zwischen die kahlen Zweige, an denen noch einige verschrumpelte rote Beeren vom Vorjahr hingen. Schnell drehte sie sich um, suchte mit ihren Augen den Himmel ab, um herauszufinden, aus welcher Richtung die Gefahr drohte. Sofort erspähte sie den Drachen, gefährlich nahe, doch sein Blick war nicht auf sie gerichtet. Er hatte sich den Ruinen der Stadt zugewandt und flog nun über die zerstörten Häuser hinweg. Plötzlich bewegte er sich in einer engen Schleife, stieß hinunter, und dann flammte sein feuriger Atem auf. Die Feuerwolke hing für einen Augenblick über einem der Häuser, dann erlosch sie so schnell, wie sie aufgetaucht war. Der Drache bremste seinen raschen Flug und kehrte zu dem Ort zurück, über dem sich nun nur noch eine dünne Rauchwolke kräuselte. Mit kräftigen Flügelschlägen hielt er sich direkt über einem der Häuser, sein beweglicher Hals bog sich nach unten, während er die Umgebung mit seinen scharfen Augen absuchte.
    Daniras Hand umklammerte den Griff ihres Schwertes; voller Abscheu betrachtete sie die monströse Kreatur. Ob der Feueratem sein Ziel getroffen hatte? War wieder einmal ein Mensch gestorben – vielleicht sogar ein Freund von ihr? Am liebsten wäre sie aufgesprungen, hätte dem Drachen eine Herausforderung entgegengeschrien und sich zum Kampf gestellt. Aber sie war nur ein Mädchen mit einem gefundenen Schwert – sie konnte nicht hoffen, auch nur einen Augenblick gegen einen Drachen zu bestehen. Sie würde einfach sterben, so wie ihr Vater, so wie alle die anderen. Die Erinnerung ließ Tränen in ihre Augen steigen, die sie mit einer schnellen Bewegung wegwischte. Sie war nicht hierhergekommen, um sich in Selbstmitleid zu verlieren.
    Der Drache flog nun über den Hafen, wo das Licht der tief stehenden Sonne sich auf der gekräuselten Oberfläche des Meeres spiegelte. Ein Schwarm von Sturmvögeln stob eilig vor ihm auseinander, doch das riesige Wesen beachtete sie nicht und entfernte sich an der Küstenlinie entlang nach Westen. Langsam kroch Danira aus dem Busch hervor und lauschte in sich hinein, um die seltsame Regung zu erspüren, die ihr schon oft die Nähe der Drachen verraten hatte.
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