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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga
Autoren: Henning Mankell
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nachdenklich.
    »Für Oberst Putnis’ Durchtriebenheit und Brutalität gab es keine Grenzen. Er brauchte einen Sündenbock, einen passenden Mörder. Außerdem brauchte er einen Grund, um Sie nach Hause zu schicken. Ich habe bemerkt, daß ihn Ihre Kompetenz sofort alarmierte. Er ließ zwei kleine Kinder entführen, Kommissar Wallander. Zwei kleine Kinder, deren Mutter Upitis’ Schwester ist. Falls Upitis nicht die Schuld für den Mord an Major Liepa auf sich nahm, sollten die Kinder sterben. Upitis sah keine andere Wahl. Ich frage mich oft, was ich in seiner |338| Situation getan hätte. Selbstverständlich ist er inzwischen freigelassen worden, und wir haben auch die Kinder gefunden.«
    »Es begann mit einem Rettungsboot, das an der schwedischen Küste an Land trieb«, sagte Wallander nach einer Weile nachdenklichen Schweigens.
    »Oberst Putnis und seine Mitverschwörer hatten ihre große Operation gerade begonnen«, antwortete Murniers. »Putnis hatte einige seiner Agenten in Schweden postiert. Sie hatten verschiedene Gruppen lettischer Emigranten ausgemacht und wollten ihnen Rauschgift unterschieben, um die gesamte lettische Freiheitsbewegung in Mißkredit zu bringen. Aber irgend etwas passierte an Bord eines der Schiffe, die Rauschgift aus Ventspils schmuggelten. Wahrscheinlich meuterten die Männer, um sich an einer großen Ladung Amphetamin zu bereichern. Sie wurden entdeckt, erschossen und in ein Rettungsboot geworfen. In der Aufregung hatte man vergessen, das in dem Boot befindliche Rauschgift sicherzustellen. Soweit ich verstanden habe, suchte man länger als einen Tag vergeblich nach dem Boot. Heute können wir froh sein, daß es nach Schweden trieb. Sonst hätte Oberst Putnis seine Ziele wahrscheinlich erreicht. Selbstverständlich waren es auch Putnis’ Agenten, die dreist genug waren, das Rauschgift aus Ihrem Polizeipräsidium zu stehlen, nachdem sie sicher waren, daß niemand den Inhalt des Bootes entdeckt hatte.«
    »Es muß noch etwas geschehen sein«, sagte Wallander nachdenklich. »Was veranlaßte Oberst Putnis, Major Liepa direkt nach seiner Ankunft zu töten?«
    »Putnis verlor die Nerven. Er wußte nicht, was Major Liepa in Schweden machte. Er konnte nicht riskieren, ihn am Leben zu lassen, nachdem er ihn nicht mehr unter Kontrolle hatte. Solange Major Liepa sich in Lettland aufhielt, konnte er ihn überwachen oder zumindest erfahren, mit wem er sich traf. Oberst Putnis verlor ganz einfach den Kopf und erledigte ihn. Sergeant Zids erhielt den Auftrag, den Major zu töten.«
    |339| Sie versanken in ein lang anhaltendes Schweigen. Wallander merkte, daß Murniers müde und bekümmert war.
    »Was geschieht jetzt?« fragte Wallander schließlich.
    »Ich werde natürlich Major Liepas Papiere gründlich studieren«, antwortete Murniers. »Dann werden wir weitersehen.«
    Die Antwort beunruhigte Wallander.
    »Sie müssen natürlich veröffentlicht werden«, sagte er.
    Murniers antwortete nicht, und Wallander wurde klar, daß dies für ihn keine Selbstverständlichkeit war. Seine Interessen deckten sich nicht unbedingt mit denen Baiba Liepas und ihrer Freunde. Ihm reichte vielleicht schon die Tatsache, daß Putnis aufgeflogen war. Murniers mochte über die politische Wirkung dieser Veröffentlichung ganz anders denken. Der Gedanke, daß Major Liepas Vermächtnis unter Verschluß bleiben sollte, regte ihn auf.
    »Ich möchte gerne eine Kopie des Ermittlungsberichtes haben«, sagte er.
    Murniers durchschaute seine Absicht sofort.
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie Lettisch lesen können«, erwiderte er.
    »Man kann nicht alles wissen«, parierte Wallander.
    Murniers musterte ihn lange schweigend. Wallander erwiderte seinen Blick und dachte, daß er auf keinen Fall nachgeben durfte. Wenn er nun zum letzten Mal seine Kräfte mit Murniers maß, war es von allergrößter Wichtigkeit, sich nicht besiegen zu lassen. Das war er dem kurzsichtigen, kleinen Major schuldig.
    Plötzlich hatte Murniers seinen Entschluß gefaßt. Er drückte auf die Klingel, die unter der Tischplatte angebracht war. Ein Mann kam herein und nahm die blaue Mappe mit. Zwanzig Minuten später hielt Wallander eine Kopie in Händen, über die niemals Buch geführt werden würde, eine Kopie, für die Murniers jegliche Verantwortung abstreiten würde. Eine Kopie, die der schwedische Polizist Wallander sich illegal verschafft |340| hatte, ohne Rücksichtnahme auf die diplomatischen Gepflogenheiten zweier einander freundlich gesinnter Nationen, um
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