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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga
Autoren: Henning Mankell
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Träumen leiten, seine Nase war auf die schmutzige Erde und nicht in einen strahlenden Himmel gerichtet. Er liebte sie, und die Melancholie wuchs aus diesem neuen, verstörenden Gefühl. Er würde den merkwürdigsten und gefährlichsten Auftrag, den er jemals ausgeführt hatte, mit einem Gefühl der Trauer beenden. Als sie ihm erzählte, daß er sein Auto bei seiner Rückkehr in Stockholm vorfinden würde, reagierte er kaum. Er bemitleidete sich selbst.
    Sie machte ihm ein Bett auf dem Sofa zurecht. Er hörte ihren ruhigen Atem aus dem Schlafzimmer. Obwohl er müde war, konnte er nicht schlafen. Hin und wieder stand er auf, ging über die kalten Dielen und betrachtete die verlassene Straße, auf der Karlis Liepa in den Tod gegangen war. Die Beschatter existierten nicht mehr, sie waren zusammen mit Putnis begraben worden. Geblieben war nur eine große Leere, abstoßend und schmerzhaft.
    Am Tag vor seiner Heimreise besuchten sie das anonyme Grab, in das Oberst Putnis Inese und die toten Freunde hatte legen lassen. Sie weinten hemmungslos, Wallander flennte wie ein verlassenes Kind, und er glaubte, zum ersten Mal begriffen zu haben, in welch einer entsetzlichen Welt er lebte. |343| Baiba hatte Blumen mitgenommen, verfrorene und magere Rosen, die sie auf dem aufgeworfenen Erdhügel niederlegte.
    Wallander hatte ihr seine Kopie des Testaments übergeben. Aber sie las es nicht, solange er noch da war.
     
    Am Morgen seiner Abreise fiel Schnee über Riga.
    Murniers kam, um Wallander abzuholen. In der Tür umarmte Baiba ihn, sie klammerten sich aneinander, als hätten sie gerade einen Schiffbruch überlebt, und dann ging er.
     
    Wallander stieg die Gangway zum Flugzeug hinauf.
    »Gute Reise«, rief Murniers ihm nach.
    Sogar er ist froh, daß ich endlich verschwinde, dachte Wallander. Er wird mich nicht vermissen.
    Die Maschine der Aeroflot flog eine Linkskurve über Riga. Danach nahm der Pilot Kurs auf den Finnischen Meerbusen.
    Noch ehe sie die endgültige Flughöhe erreicht hatten, war Kurt Wallander eingeschlafen, den Kopf auf die Brust gelehnt.
    Am Abend des 26.   März kam er in Stockholm an.
    In der Ankunftshalle warteten sein Paß und die Autoschlüssel auf ihn. Das Auto war gleich hinter dem Taxistand geparkt. Erstaunt stellte Wallander fest, daß es frisch gewaschen war.
    Im Inneren des Wagens war es warm. Irgend jemand hatte also dort gesessen und auf ihn gewartet.
    Noch in dieser Nacht fuhr er nach Ystad zurück.
    Kurz vor dem Morgengrauen betrat er seine Wohnung in der Mariagatan.

|344| EPILOG
    Eines frühen Morgens Anfang Mai, als Wallander in seinem Büro saß und sorgfältig, aber gelangweilt, einen Totozettel ausfüllte, klopfte Martinsson an seine Tür und trat ein. Draußen war es immer noch kühl. Der Frühling war noch nicht bis nach Schonen vorgedrungen, aber Wallander hatte trotzdem das Fenster geöffnet, als habe er unablässig das Verlangen, seinem Gehirn frische Luft zuzuführen. Zerstreut hatte er die Chancen der einzelnen Fußballmannschaften abgewägt, während er einem fleißigen Buchfinken zuhörte, der irgendwo in einem Baum trällerte. Als Martinsson sich in der Tür zeigte, schob Wallander den Totozettel zur Seite, stand von seinem Stuhl auf und schloß das Fenster. Er wußte, daß Martinsson ständig in Sorge war, sich erkälten zu können.
    »Störe ich?« wollte Martinsson wissen.
    Seit seiner Rückkehr aus Riga war Wallander seinen Kollegen gegenüber abweisend und kurz angebunden gewesen. Einige von ihnen hatten sich in Gesprächen unter vier Augen gefragt, was ihn dermaßen aus der Bahn geworfen hatte, er hatte sich während seines Winterurlaubs in den Alpen doch nur leicht an der Hand verletzt. Aber niemand wollte ihn direkt darauf ansprechen, alle dachten, daß sein Mißmut und seine Launen allmählich ganz von allein wieder verschwinden würden.
    Wallander war sich durchaus bewußt, daß er seine Kollegen schlecht behandelte. Er hatte keinen Grund, ihre Arbeit dadurch zu erschweren, daß er seine eigene Unlust und Melancholie auf alle übertrug. Er wußte aber nicht, wie er wieder der alte Wallander werden sollte, der entschlossene, gutmütige Polizist |345| aus dem Polizeidistrikt Ystad. Dieser Mensch existierte einfach nicht mehr. Aber er wußte auch nicht, ob er um ihn trauern sollte. Er wußte sowieso nicht so recht, was er von seinem Leben halten sollte. Der Urlaub in den Alpen, die Ausrede für seine Reise, war ein Symbol, er war nicht ehrlich, auch nicht zu sich selbst. Er
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