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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga
Autoren: Henning Mankell
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war bestimmt nicht der Typ, der sich bewußt hinter seinen Lügen verschanzte. Aber er fragte sich jetzt, ob sein mangelndes Wissen nicht doch in gewisser Weise eine Lüge war, aus seiner Ahnungslosigkeit und nicht aus bewußt vollzogener Verdrängung entstanden.
    Jedesmal, wenn jemand sein Zimmer betrat, ertappte er sich dabei, ein schlechtes Gewissen zu haben. Dennoch wußte er sich keinen anderen Rat, als so zu tun, als wäre alles wie immer.
    »Du störst nicht«, sagte er mit bemühter Freundlichkeit. »Setz dich.«
    Martinsson sank in Wallanders Besuchersessel, der schlecht gefedert und ausgesprochen unbequem war.
    »Ich dachte, ich erzähle dir eine merkwürdige Geschichte«, fing Martinsson an. »Um genauer zu sein, handelt es sich um zwei Geschichten, von denen ich zu berichten habe. Jedenfalls scheint es, als würden uns Geister aus der Vergangenheit heimsuchen.«
    Wallander mochte Martinssons Art nicht sonderlich. Die rauhe Wirklichkeit, mit der sie sich als Polizisten auseinanderzusetzen hatten, eignete sich seiner Ansicht nach nicht für poetische Umschreibungen. Aber er sagte nichts, sondern wartete einfach ab.
    »Erinnerst du dich an den Mann, der hier anrief und erzählte, daß ein Boot an Land treiben würde«, fuhr Martinsson fort. »Den wir damals nicht identifizieren konnten und der sich auch nie zu erkennen gegeben hat?«
    »Es handelte sich um zwei Männer«, wandte Wallander ein.
    Martinsson nickte.
    »Laß uns zunächst einmal mit dem ersten anfangen«, sagte er. »Vor ein paar Wochen erwog Anette Brolin, diesen Mann |346| wegen schwerer Körperverletzung zu einer Haftstrafe zu verurteilen. Aber weil er nicht vorbestraft war, hat sie ihn noch einmal laufen lassen.«
    Wallander hörte mit wachsendem Interesse zu.
    »Er heißt Holmgren«, fuhr Martinsson fort. »Durch puren Zufall habe ich die Akten dieser Körperverletzungsgeschichte in die Finger bekommen, als sie bei Svedberg auf dem Schreibtisch herumlagen. In den Unterlagen stand, er sei der Besitzer eines Fischerbootes, das ›Byron‹ heißt. Da begannen bei mir alle Glocken zu läuten. Besonders interessant wurde es dann, als sich herausstellte, daß dieser Holmgren sich an einem seiner besten Freunde vergriffen hatte, einem Mann namens Jakobsson, der auch als Matrose auf dem Boot gearbeitet hat.«
    Wallander erinnerte sich an die Nacht im Hafen von Brantevik.
    Martinsson hatte recht gehabt, sie wurden offenbar wirklich von Geistern aus der Vergangenheit heimgesucht. Er wartete gespannt auf die Fortsetzung.
    »Das Eigenartige war nun, daß Jakobsson die Körperverletzung eigentlich gar nicht anzeigen wollte, obwohl sie so schwerwiegend war und offenbar grundlos erfolgte«, sagte Martinsson.
    »Wer hat die Sache denn dann angezeigt?« wollte Wallander erstaunt wissen.
    »Holmgren hat sich draußen im Hafen von Brantevik mit einer Windenkurbel auf Jakobsson gestürzt. Jemand hat die beiden beobachtet und die Polizei gerufen. Jakobsson hat drei Wochen im Krankenhaus gelegen. Er war übel zugerichtet, wollte aber Holmgren nicht anzeigen. Svedberg hat nie herausfinden können, was der eigentliche Grund für die Schlägerei war. Aber ich habe mich gefragt, ob es nicht mit diesem Boot zu tun haben könnte. Du erinnerst dich doch sicher, wie sie beide großen Wert darauf legten, den anderen nicht wissen zu lassen, daß sie mit uns Kontakt aufgenommen hatten? Jedenfalls haben wir geglaubt, daß es so war.«
    |347| »Ich erinnere mich«, sagte Wallander.
    »Ich dachte mir jedenfalls, daß ich einmal mit diesem Holmgren reden sollte«, fuhr Martinsson fort. »Er wohnte übrigens in der gleichen Straße wie du, in der Mariagatan.«
    »Wohnte?«
    »Das ist es ja gerade. Als ich hinkam, war er weggezogen, weit weg. Er hat sich nach Portugal abgesetzt. Beim Einwohnermeldeamt hat er sich offiziell in Schweden abgemeldet. Er hat eine eigenartige Adresse auf einer Insel in der Nähe von Madeira angegeben. Die ›Byron‹ hat er zu einem Schleuderpreis an einen dänischen Fischer verkauft.«
    Martinsson verstummte. Wallander betrachtete ihn nachdenklich.
    »Gib zu, es ist wirklich eine merkwürdige Geschichte«, sagte Martinsson. »Meinst du, wir sollen diese Informationen der Polizei in Riga schicken?«
    »Nein«, antwortete Wallander. »Ich glaube, das ist nicht nötig. Aber es war nett, daß du mir davon erzählt hast.«
    »Ich bin noch nicht fertig«, entgegnete Martinsson. »Jetzt kommt der zweite Teil der Geschichte. Hast du gestern Zeitung
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