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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma
Autoren: H Brown
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1.
Schnurrhaarspitzen
    Ich hätte nicht gedacht, dass wir einmal bei einer Katze landen würden, die so verrückt ist, Gassi gehen zu wollen. Aber Katzen machen einen anderen Menschen aus dir. Das sollte ich mittlerweile wissen.
    Sobald abends die Schatten in der Küche länger werden, donnert Jonah durch die Eingangshalle. Er baut sich vor mir auf; sein rotes Geschirr zwischen den Zähnen.
    »Jetzt nicht«, sage ich und schäle weiter Karotten. »In einer halben Stunde gibt es Abendessen.«
    Seine Augen werden groß wie Untertassen. Manierlich setzt er sich vor mich hin, legt den Schwanz über die Vorderpfoten und mustert mein Gesicht. Was sehen Katzen, wenn sie Menschen betrachten? Wir müssen ein schrecklicher Anblick für sie sein, so ganz ohne Fell.
    Nach kurzem Nachdenken, noch immer das Geschirr im Maul, erhebt sich Jonah und tappt auf mich zu. Er richtet sich auf den Hinterpfoten auf und lehnt sich mit seinem unglaublich langen Körper an mich. Er stupst mit seiner Vorderpfote gegen meinen Bauch, legt seine Ohren flach und neigt den Kopf. Dann geht er wieder auf alle viere, lässt das Geschirr vor meine Füße fallen und miaut kläglich.
    Unwiderstehlich.
    Ich bücke mich und lege das Geschirr um seinen biegsamen, athletischen Körper. Erwartungsvoll biegt er seinen Rücken durch. Sein Schnurren hallt von den Küchenschränken wider.
    Grausam, einfach grausam! , höre ich meine Mutter sagen. Katzen sind wilde Tiere. Was tust du diesem armen Geschöpf bloß an?
    Es ist wirklich seltsam, dass ich noch immer Mums Stimme im Kopf habe, so viele Jahre, nachdem sie gestorben ist. Ich frage mich, ob das bei meinen Töchtern auch so sein wird und ihnen meine Kommentare und guten Ratschläge noch im Ohr klingen werden, wenn sie selbst schon im Schaukelstuhl sitzen.
    In einer perfekten Welt könnte Jonah nach Lust und Laune durch unser Viertel streifen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Wir leben in Städten. Die Straßen sind mit Autos überschwemmt.
    Keine normale Katze würde an der Leine spazieren gehen. Drei Jahre mit Jonah haben mich gelehrt, dass er alles andere als normal ist. Abgesehen davon, dass er sein Geschirr zu lieben gelernt hat, geht auch seine Leidenschaft für Handschuhe, Satinbänder und Abendkleider weit über ein gesundes Katzenmaß hinaus.
    Er ist schwer zu verstehen. Obwohl er manchmal unglaublich intelligent wirkt, findet er Autos ideal, um sich darunter zu verstecken. Ich möchte ihn nicht wie einen Gefangenen halten, aber es lauern überall Gefahren. Er muss beschützt werden.
    Ich trage ihn in die Waschküche und befestige an seinem Geschirr eine verlängerte Leine, die ihm möglichst viel Bewegungsfreiheit gewährt. Sein Schnurren vibriert an meinen Armen entlang, als ich die Hintertür öffne und ihn auf dem Rasen absetze.
    Einen Moment lang steht er regungslos da und hält genießerisch die Nase in die warme Abendluft. Der Wind bringt Geschichten über Mäuse und Tauben mit, über kleine weiße Hunde und Katzen – Freunde und Feinde. Geschichten, für die meine unterentwickelten menschlichen Sinne zu grob sind.
    Jonah stürmt los, zerrt an der Leine, und das Glöckchen an seinem Halsband klingelt, während wir um das Haus rasen. Seine jugendliche Energie ist erschöpfend. Sein Selbstvertrauen beängstigend. Nicht zum ersten Mal erinnert er mich an meine ältere Tochter, Lydia. Manchmal denke ich sogar, dass dieses wundervolle, willensstarke Geschöpf mehr Ähnlichkeit mit Lydia hat als mit seiner Vorgängerkatze Cleo.
    Als Jonah am Gartentor pausiert, um an einem Rosmarinstrauch zu schnuppern, kann ich beinahe Cleo sehen, wie sie uns vom Katzenhimmel aus beobachtet und grinst. Sie, die eine halbe Wildkatze und mit allen Wassern gewaschen war, vertrat die Ansicht, Geschirre seien etwas für Schoßhündchen.
    Katzen kommen mit einer bestimmten Absicht in das Leben eines Menschen. Nicht wenige dieser magischen Geschöpfe sind Heiler. Als vor vielen Jahren Cleo zu uns kam, war unsere Familie nach dem Tod unseres neunjährigen Jungen Sam in einem erbärmlichen Zustand. Sein jüngerer Bruder Rob hatte mit ansehen müssen, wie Sam überfahren wurde, und war schwer traumatisiert. Doch ich war wie gelähmt vor Schmerz und Wut auf die Fahrerin des Wagens und nicht in der Lage, Rob die Hilfe zu geben, die er brauchte. Ein Teil meiner Wut rührte daher, dass ich glaubte, Sam sei ganz allein am Straßenrand gestorben. Wie sich herausstellen sollte, stimmte das nicht. Jahre später erhielt ich
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