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010 - Die Todesengel

010 - Die Todesengel

Titel: 010 - Die Todesengel
Autoren: Dämonenkiller
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»Darf ich Ihre Tasse haben, Miß Ashton?« fragte eine der beiden Gastgeberinnen mit sanfter, freundlicher Stimme.
    Deborah Ashton zuckte leicht zusammen, als sie aus ihren Gedanken gerissen wurde.
    »O ja, danke – Mrs. …«, stammelte sie und blickte sich unsicher um. Sie fühlte sich von den anderen beobachtet, obwohl diese es tunlichst vermieden, sie direkt anzusehen.
    »Miß, wenn ich bitten darf!« korrigierte die Gastgeberin sie würdevoll, während sie geziert Tee aus der Kanne in die Tasse goß. Sie war eine ältere Dame, an die Siebzig, aber immer noch rüstig und eine stattliche Erscheinung. Ihre Kleidung und ihr Auftreten wirkten sehr vornehm, wenn auch etwas aristokratisch übertrieben. Sie schien die Güte in Person zu sein. In kameradschaftlichem Ton fügte sie hinzu, wie um ihren ersten Worten die Spitze zu nehmen: »Ich war nie verheiratet. Nennen Sie mich also einfach Schwester Mercy. Das tun hier alle. Nehmen Sie Milch zum Tee? Dann bedienen Sie sich bitte selbst! Es steht alles auf dem Tisch.«
    »Danke – Schwester Mercy.« Deborah wollte über den Tisch nach der Milchkanne greifen, doch da wurde sie von ihrem Gegenüber am Handgelenk gepackt.
    »Nein!« sagte die Frau, die Deborah als Mrs. Betty Drawson vorgestellt worden war. Sie mochte um die Dreißig sein und sah sehr gepflegt und nicht unattraktiv aus, wenngleich sie sich unvorteilhaft gekleidet hatte. Sie ließ Deborahs Hand gleich wieder los und erklärte: »Man tut zuerst Milch in die Tasse und gibt dann den Tee dazu. Andersherum geht es nicht.«
    »Wenn Sie meinen, Mrs. Drawson«, sagte Deborah.
    »Lassen Sie sich nur nicht einschüchtern, mein Kind«, sagte Schwester Mercy und tätschelte ihr die Schulter. »Wenn Sie Milch zum Tee haben wollen, dann gießen Sie sich nur ein.«
    »Das geht nicht!« behauptete Mrs. Drawson wieder, diesmal strenger. Ihr Mund war zusammengekniffen und bildete einen schmalen Strich. »Wir sollten solche Unsitten nicht dulden. Die Milch gehört zuerst in die Tasse. Selbst die Königin …«
    »… ist sich in dieser Streitfrage nicht sicher«, vollendete Dr. Deming den Satz und lächelte gewinnend. »Entschuldigen Sie meine Unterbrechung, Mrs. Drawson. Aber seit man in England Tee trinkt, diskutiert man auch darüber, was zuerst in die Tasse gehört – Tee oder Milch. Man wird wohl in dieser Frage nie zu einer Einigung kommen, ebensowenig wie man beantworten kann, was denn früher auf der Welt gewesen ist, das Ei oder das Huhn. Deshalb schlage ich vor, daß jeder von uns Tee mit Milch nach eigenem Gutdünken mischen soll.«
    »Bravo!« rief sein Assistent Dr. Ernest Hillary, der neben ihm an einer der Schmalseiten des Tisches saß. Fast alle, außer Mrs. Drawson, zollten Dr. Deming Beifall.
    »Dr. Deming hat mit salomonischer Weisheit eine Entscheidung gefällt«, meinte Schwester Mercy wohlwollend, während sie mit ihrer Teekanne die Runde um den Tisch machte. »Wir wollen, natürlich unter Beachtung der guten Tischsitten, jeden nach seiner Fasson leben lassen.«
    Deborah erschrak, als ihre Nachbarin plötzlich so heftig mit der Faust auf den Tisch schlug, daß das Geschirr klirrte. »Ihr tut ja gerade so, als gäbe es nichts Wichtigeres, als die Klärung der Frage, wie man seinen Tee trinkt«, rief die Frau im ärgsten Soho-Slang. »Dr. Deming sollte seine Weisheit lieber dafür verwenden, euch zu heilen.«
    »Ihr Benehmen mißfällt mir, Miß Lorraine«, sagte der Mann, der ihr gegenüber und links von Betty Drawson saß. Er war Mitte vierzig, hatte eine Hakennase und mußte sich ständig Haarsträhnen aus dem Gesicht streichen, die durch seine heftigen Kopfbewegungen immer wieder nach vorn fielen. Er wirkte überaus nervös, um nicht zu sagen gehetzt.
    Kathrine Lorraine, Deborahs Nachbarin, beugte sich über den Tisch und sagte geheimnisvoll: »Nehmen Sie sich nur in acht, daß ich Ihren Erben nicht einen Wink gebe, Mr. Storm!«
    John Storm sprang erregt von seinem Platz hoch. »Wollen Sie mir etwa drohen?«
    Statt einer Antwort begann Kathrine Lorraine schallend zu lachen.
    »Beruhigen Sie sich wieder, Mr. Storm!« sprach Schwester Mercy begütigend auf ihn ein und drückte ihn in den Sessel zurück. »Kitty hat das nicht so gemeint. Vergessen Sie nicht, daß auch sie leicht reizbar ist.«
    »Ja, ja, ich weiß«, sagte John Storm, und sein stark hervortretender Adamsapfel hüpfte erregt auf und ab. »Sicherlich steht Miß Lorraine vor dem Ausbruch einer Krise. Aber wenn es so ist, dann sollte man
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