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Wachkoma

Wachkoma

Titel: Wachkoma
Autoren: Jasmin P. Meranius
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Beata ließ den letzten Teil einfach weg, um nicht immer wieder daran erinnert zu werden, wie ihr Soldat kurze Zeit darauf von Frankfurt nach Amerika zurückversetzt werden sollte. Und er alleine flog. Ohne sie.
    Sie hatte den letzten Teil der Geschichte weggelassen, um in diesem Augenblick nicht in ihrem Bett zu liegen und festzustellen, dass es rückblickend bloß Sex war. Und das sollte es nicht sein; und so war Beata stattdessen bereits eingeschlafen.
    ***

Am nächsten Morgen stand wieder ein Workshop an. Schon der zweite, den sie dort mitmachen würde, und sie hoffte, dass nicht noch weitere folgten.
    Silvester hatte ihn ihr ganz zu Beginn empfohlen und sie hatte zugesagt, doch das war, bevor sie sich so träge fühlte. Manchmal glaubte sie sogar, den Anflug einer Depression zu verspüren.
    Es waren bereits alle Teilnehmer anwesend und saßen erwartungsvoll auf ihren Stühlen.
    Silvester betrat als Letzter den kleinen, hellen Konferenzraum. Er hatte wie immer legere Kleidung an und war noch ein wenig gebräunt vom letzten Sommer. Bei genauerer Betrachtung sah er eigentlich gar nicht so übel aus, dachte Beata.
    Ihr war natürlich aufgefallen, dass sein gutes Aussehen auch den anderen Frauen im Raum nicht entgangen war, denn sobald er den Raum betrat, drehte sich bei ihnen alles nur noch um ihn.
    Auch Silvester schien das zu wissen, doch zeigte er nie eine Reaktion – das war Beata ebenfalls aufgefallen.
    „Guten Morgen, Beata“, rief er erfreut aus, als er sie unter den Teilnehmern entdeckte. „Ich freue mich wirklich, Sie beim Workshop heute dabeizuhaben.“
    Er war aber auch immer auffallend nett, dachte Beata. Von Beginn an.
    Das Workshop-Thema lautete „Leidenschaft“.
    Ein passendes Thema beim Anblick der vielen Frauen in diesem Workshop. Und so startete Silvester auch direkt mit ein paar einleitenden Worten dazu.
    Er erzählte von Leidenschaft, was sie bedeute, in uns bewirke und weshalb sie so wichtig für unser Leben sei.
    Beata war seinen Worten nur halbherzig gefolgt und schaute immer wieder suchend durch die hinteren Stuhlreihen.
    Vielleicht würde sie die traurige Dame vom Vorabend entdecken? Etwas Leidenschaft hätte ihr sicherlich gut zu Gesicht gestanden.
    Doch sie erschien nicht.
    „Im Leben entfacht manchmal genau das große Leidenschaft in uns, was wir am meisten vernachlässigen. Vielleicht aber auch, weil wir gar nicht wissen, dass es unsere Leidenschaft ist“, sprach Silvester zu den Kursteilnehmern, die ihm aufmerksam zuhörten. „Um also tatsächlich herauszufinden, was unsere Leidenschaft ist, sollten wir vielleicht auch einmal andere hinschauen lassen. Vielleicht entdecken die etwas in uns, das wir selbst längst vergessen haben.“
    Der Reihe nach sollte sich nun jeder kurz vorstellen, aber nicht, indem er sagte, wer er war und was er mochte, sondern indem er das dem Kurs überließ.
    „Möchten Sie nicht anfangen, Beata?“, fragte Silvester und zeigte einladend auf den freien Stuhl am Kopf der Stuhlreihen.
    „Wieso nicht“, antwortete sie gewohnt selbstbewusst und setzte sich in die Mitte.
    „Bitte, stellt Beata vor. Wer könnte sie sein und was macht sie aus?“, forderte Silvester die anderen Teilnehmer auf.
    „Sie lebt in der Großstadt“, rief auch schon die Erste.
    „Und ist kinderlos“, ergänzte eine weitere.
    „Sie ist geschieden, da sie keinen Ring am Finger trägt“, sagte ein anderer.
    „Sie wohnt in einem großen Haus.“
    „Sie hat Geld.“
    Während diese Ausrufe geradezu durch den Raum jagten, schoss Beata nur unweigerlich durch den Kopf, was das wohl mit Leidenschaft zu tun haben sollte. So stand sie all dem äußerst kritisch gegenüber, lächelte jedoch gewohnt professionell.
    „Sie hat einen guten Job und könnte dort auch die Chefin sein.“
    „Im Job liegt ihre Leidenschaft!“
    „Sie hat vielleicht eine eigene Firma, der sie daher viel Zeit widmet.“
    „Vielleicht entwirft sie Dinge in ihrem Job.“
    „Ja, sie könnte eine Werbeagentur haben.“
    Trotz ihrer Gelassenheit musste Beata an die großen, nackten Ahornbäume denken. Sie fühlte sich soeben, als ob ihre Seele nur durch eine Klarsichtfolie geschützt war, was auch erklärt hätte, weshalb man ihr so viel von ihrem Beruf ansehen konnte.
    „Ich möchte als Nächste“, rief auch schon die nächste Freiwillige aus der Runde. Sie hatte kurzes, gelocktes Haar, trug Jeans und ein weites T-Shirt und war nur unwesentlich älter als Beata.
    „Sie hat eine Leidenschaft für das
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