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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan
Autoren: Pavel und Ich
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wünschte, er hätte einen Revolver.
    »Boyd«,
sagte Pavel, »das ist Anders. Anders, das ist Boyd. Wir zwei waren zusammen in
der Army. Er ist ...«
    »Ich weiß,
was er ist. Ein Zuhälter.«
    »Ja«,
sagte Pavel leise, »ein pimp.« Er
lächelte über das Wort und strich sich über den schmerzenden Rücken. Der Junge
glaubte, einen Vorwurf in seiner Stimme gehört zu haben.
    Boyd
zuckte mit den Schultern. Das alles war ihm egal. Er zog ein Päckchen
Zigaretten aus der Hemdtasche und bot erst Pavel und dann, unwillig, auch dem
Jungen eine an. Anders steckte die Zigarette ohne ein Wort in die Tasche. Er
wollte sie rauchen, wenn Boyd nicht mehr da war. Die beiden Männer standen im
Zimmer, rauchten und umschlossen dabei ihre Zigaretten auf die gleiche Weise
mit der Hand. Boyd begann zu sprechen.
    »Du
könntest zurückgehen, Pavel. In die Army. So schlecht war es da auch wieder
nicht, und sie suchen verzweifelt nach Dolmetschern. Himmel, du sprichst alle
vier Sprachen. Du könntest wie ein König leben.«
    Pavel
zuckte mit den Achseln und blies den Rauch vor sich hin. »Was wirst du jetzt tun?«
    »Ich
schiebe ab, bevor sich einer von den Freunden von dem da«, Boyd deutete mit
seiner Zigarette auf Anders, »mit meinem Untersatz davonmacht. Versuch was über
den Zwerg in Erfahrung zu bringen. Ich bringe dir Medizin, Kohlen und
Zigaretten.«
    »Tauschen
wir die Mäntel«, fügte er schließlich noch hinzu. »Meiner ist wärmer, und
während der nächsten Tage soll es auf minus zwanzig Grad hinuntergehen.«
    Pavel nahm
das Geschenk an. Es ärgerte den Jungen, dass er es so einfach tat, ohne zu
widersprechen. Es ist eine Art Bezahlung, sagte er sich, um seinen verletzten
Stolz zu besänftigen. Billig, dachte er, der Kerl kommt billig davon, und er
suchte nach einem bissigen Abschiedswort.
    An der Tür
umarmten sich die beiden Männer wie Brüder. Boyd gab darauf Acht, nicht auf
Pavels Nieren zu drücken.
    »Belle«,
sagte er. »Wenn was schiefgeht, such nach Belle.«
    »Wer ist
das?«, kam es aus Anders heraus, dem die Umarmung nicht gefiel. »Eine Hure?«
    Boyd löste
sich von Pavel.
    »Der Kerl
hätte eine Ohrfeige verdient«, sagte er zu Pavel, aber er sagte es leise. »Sie
ist eins von meinen Mädchen, und sie ist ...«
    Er brach ab und nahm sich die Zeit
für ein Lächeln. »Sie ist etwas Besonderes, Pavel. Ich meine, etwas ganz Besonderes.
Eines Tages«, sagte er, »mache ich sie zu Mrs White.« Der Junge dachte, dass
sogar sein Lächeln falsch sei.
     
    Und damit verließ er sie, Boyd
White drehte sich auf dem Absatz um und zog los, in Pavels dünnem Mantel, der
ihm zu klein war, und mit gebeugten Schultern, als schleppe er immer noch den
toten Zwerg mit sich, die Treppe hinunter und hinein in seine Limousine, die
kalt und einsam am bombenzernagten Bordstein stand. Es schneite nicht mehr, es
war zu kalt geworden.
    Ich will
ein gutes Wort für Boyd einlegen. Er hat seine Sache gut gemacht. Ich will
damit sagen, für einen blutigen Anfänger war es eine verdammt gute Vorstellung.
    Es dämmerte bereits, als der Junge
einschlief. Pavel wartete geduldig darauf, las ihm aus seinem Lieblingsroman
vor und versuchte, die Schmerzen mit dem ruhigen Raunen der eigenen Stimme zu
betäuben. Ein- oder zweimal nickte er selbst fast ein und erwischte den Jungen
dabei, wie er sich ins Hinterzimmer zu schleichen versuchte, um dort den Dingen
auf den Grund zu gehen. Pavel rief ihn jedes Mal zurück, ohne Zorn, und war
überrascht, dass der Junge ihm ohne Widerrede gehorchte.
    »Ein mit-tschit ist so was wie ein Zwerg, oder?«, fragte Anders.
    Pavel
musste lächeln.
    »Ja. So
etwas Ähnliches.«
    »Ein toter
russischer Zwerg also?«, höhnte der Junge. »Dein Gott hat Sinn für Humor.«
    Pavel nahm
die Herausforderung nicht an. Sie war Teil der laufenden theologischen Debatte
zwischen ihnen. Er wandte sich wieder dem Buch zu und las weiter. Endlich ergab
sich Anders dem Schlaf. Sein Atem wehte wie eine Frostfahne über ihm. Pavel
versagte es sich, ihn zu küssen, um ihn nicht wieder aufzuwecken. Er wollte
nach hinten und den Zwerg näher unter die Lupe nehmen, nahm den Eimer Eis mit
und griff auch nach dem kalten Stiel des Eispickels.
    Er
brauchte eine Weile, um dem toten Mann das Blut vom Gesicht zu waschen. Pavel
musste sich Handschuhe anziehen, damit ihm das Eis nicht an den Fingern kleben
blieb, und die Handschuhe machten seine Hände ungeschickt. Um den Körper
kümmerte er sich nicht weiter, aber er schloss den Mund mit den
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