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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan
Autoren: Pavel und Ich
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Sonjas Bissigkeit, selbst
in den Jungen (den ich doch kaum je wirklich kennen gelernt habe), wie er mit
schiefem Mund Erwachsenenworte spricht. In meinen Träumen bin ich zu dem
geworden, was Thomas Mann »den raunenden Beschwörer des Imperfekts« nennt,
wenn er damit auch nicht die Vergangenheit, sondern die grammatikalische
Zeitform meint, die aus einer eigenen Ironie heraus schon dem Wortsinn nach für
ihren Mangel an Perfektion getadelt wird. Der raunende Beschwörer des
Imperfekts. Des Imperfekts raunender Beschwörer.
    Ja, ja, da
schütteln Sie den Kopf: Ihr Erzähler hat seinen Thomas Mann gelesen. Das
gefällt Ihnen nicht. Das passt nicht zu einem Folterer.
    Stellen
Sie mich nur infrage. Das macht mir nichts, es ist Teil der Geschichte. Vom
ersten Wort an, das ich niedergeschrieben habe, ist es in ihr verwurzelt. Aber
eines, ja eines müssen Sie mir glauben: Ich habe diesen Mann geliebt, habe ihn
geliebt wie einen Bruder. Die Sache ist nur die, dass er für so etwas nicht gemacht
war, eine Geschichte über Mikrofilme, aber genauso eine bekam er, und es hätte
ihm verdammt noch mal fast das Herz gebrochen. Genau wie er meines gebrochen
hat, und das des Jungen, und Sonjas hat er ebenfalls heftig bearbeitet, so gut
es eben ging. Ich wünschte, ich könnte noch einmal mit ihm reden, nur ein
einziges Mal, um ihn zu fragen, womit er für unsere Leben bezahlt hat.
    Er würde
mir ganz kurz zulächeln.
    »Ich habe
ihn einfach gefragt«, würde er antworten, »habe ihn höflich gefragt, ohne zu
betteln. Karpow hatte es schließlich selbst gesagt: Ihr wart ohne Wert für die
Sowjetunion.«
    Und er
würde mich küssen, mitten auf den Mund, fünf ganze Sekunden lang, um mich
wissen zu lassen, dass wir nicht im Zorn voneinander schieden.
     
    Ende
     
    Danksagung
     
    D ies ist
ein Roman. Während vieles, was die Lebensbedingungen im Berlin des Winters
1946/47 betrifft, mit einiger Genauigkeit beschrieben wird, sind die
aufgeführten Ereignisse und Personen frei erfunden. Es gab keinen Colonel
Fosko. In der Verwaltung der Alliierten fanden sich überraschend extravagante
Persönlichkeiten, von denen einige hier und da die Grenzen ihrer rechtlichen
Mandate überschritten haben mögen, aber keiner, von dem ich weiß, trug Nerz. An
manchen Stellen habe ich die historische Wahrheit verändert oder missachtet,
damit sie meinen Romanbedürfnissen genügte. Zum Beispiel ist es höchst
unwahrscheinlich, dass in der fraglichen Zeit ein Flüchtlingszug in den Bahnhof
Zoo eingefahren ist statt in einen der vielen anderen Bahnhöfe der Stadt. Es
gibt bedeutende Ungenauigkeiten in der Darstellung der britischen und
russischen Kommandostruktur sowie kleinere Unstimmigkeiten in der Beschreibung
der Prozeduren beim Übertritt von einem Sektor in den anderen und in der
Beschreibung des Lebensmittelkaufs mit Marken. Auch die Zahl funktionierender
Telefone war kleiner, als es der Roman nahelegen mag, und so weiter. In einem
Buch, das der Frage nachgeht, wie viel wir von unseren persönlichen Bedürfnissen
und Wünschen in die Beschreibung der Vergangenheit injizieren, sind derlei
Ungenauigkeiten vielleicht entschuldbar. Für Leser, die gerne mehr über jene
Zeit erfahren wollen, gibt es ein paar ausgezeichnete Bücher, die sich allein
den Tatsachen widmen. Für einen allgemeinen Überblick, gekonnt erzählt, kann
man sich vertrauensvoll an Alexandra Richies »Faust's Metropolis: A History of
Berlin« wenden oder an Douglas Bottings »In the Ruins of the Reich«. Beide
Bücher sind voller anekdotischer Berichte über das Elend in der Nachkriegszeit
und waren in Bezug auf alle möglichen Dinge, vom Wert einer Zigarette auf dem
Berliner Schwarzmarkt bis zum Verhalten der Besatzungsarmeen gegenüber der
deutschen Zivilbevölkerung, von unschätzbarem Wert für mich. Für einen
visuellen Eindruck davon, wie Berlin unmittelbar nach dem Krieg aussah, sei
Roberto Rossellinis »Deutschland im Jahre Null« empfohlen. Ein Film voller
düsterer Bilder.
    Viele der
Anekdoten, die von den Personen des Romans erzählt werden, gehen auf tatsächliche
Geschehnisse zurück, wie sie von Augenzeugen beschrieben wurden. Der
erstaunlichste dieser Berichte ist vielleicht Ruth Andreas-Friedrichs Tagebuch
der Jahre 1945-48, der unter dem Titel »Schauplatz Berlin« veröffentlicht
wurde. Da kann man die Geschichte hungernder Berliner finden, die während des
Kampfs um die Stadt einen toten Ochsen zerlegten, oder die Geschichte der
Lehrerin, die ihre Schülerinnen
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