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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan
Autoren: Pavel und Ich
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Pavels Auftrag, mich um seine Liebsten zu kümmern,
den er mir so eindringlich ans Herz gelegt hatte. Er hatte mir vergeben, hatte
mir ihre Leben anvertraut. Ich fühlte, dass unsere Freundschaft damit endgültig
vollzogen war.
    Aber meine
Freude blieb gedämpft und verflog, als der Wagen in die Einfahrt des Colonels
bog. Die Villa sah düster aus, wie ein Haus auf einem Schauergemälde, mit
Elstern auf dem Giebel und einem einsamen Licht oben im Arbeitszimmer.
    »Da sind
wir«, sagte der Fahrer.
    Wie ich
sah, hatten es weder Anders noch Sonja eilig mit dem Aussteigen.
    Wie Diebe schlichen wir ins Haus.
Zunächst, nehme ich an, bedrückte uns vor allem die Frage, ob Fosko noch
lebte. Mucksmäuschenstill standen wir im Esszimmer neben der Vitrine mit dem
guten Porzellan und lauschten auf Geräusche von ihm. Aber es war still. Keiner
von uns hatte in diesem Moment Lust, die Treppe hinaufzugehen und
nachzuschauen.
    Da seine
Schmerzen durch das Morphium gelindert wurden, schlief der Junge bald ein. Nach
kurzem Zögern trug ich ihn hinunter in den Keller und legte ihn auf die
Matratze, die bis heute Pavels gewesen war. Die Wärme würde ihm guttun. Ich
wachte eine gute halbe Stunde bei ihm, aber er rührte sich nicht, geschweige
denn, dass er aufgewacht wäre. Beruhigt durch seinen regelmäßigen Atem, ging
ich zurück zu Sonja, die auf dem Wohnzimmersofa saß und eine Schallplatte gegen
die Einsamkeit aufgelegt hatte. Ich setzte mich ganz auf das andere Ende des
Sofas und achtete darauf, sie nicht zu bedrängen. Es waren die Cello-Suiten von
Bach. Der Colonel hatte Bach sehr gemocht. Vielleicht tat er es immer noch.
    Wir saßen
lange da, bevor sie mich fragte.
    »Warum
haben die uns gehen lassen«, fragte sie, »die Russen?«
    Ich
überlegte und formulierte zunächst für mich verschiedene Theorien.
    »Vielleicht«,
sagte ich endlich, »ist Karpow doch kein so schlechter Mensch.«
    Sie lachte
kurz auf und erhob sich, um die Platte umzudrehen.
    »Sie
sagten, Sie wollten mir Geld geben?«
    »Ja. Der
Colonel hat einen Safe in seinem Arbeitszimmer.«
    »Dann
holen Sie es.«
    Ich tat,
worum sie mich bat: Ging hinauf zum Arbeitszimmer, öffnete die Tür und hielt
den Blick von dem Spektakel abgewandt, das Fosko bot, bis ich den Wandsafe
geöffnet und etwa dreihundert Pfund für Sonja abgezählt hatte. Dann drehte ich
mich um und sah zu ihm hin. Es war kein schöner Anblick. Der Mann wollte
einfach nicht sterben. Er lag auf dem Rücken, voller Blut, nass glänzend wie
eine Robbe. Hin und wieder sagte er ein paar Worte, und über seinen Wurstlippen
blähten sich Speichelblasen. Oder er bewegte einen Arm im Kreis und zeichnete
rote Halbmonde auf das Holz. Das Übelste war der Affe. In der Kälte, die durch
das geöffnete Fenster drang, war er an das Hemd des Colonels gefroren und
klebte an ihm wie ein zusätzliches Glied, mit einem Loch in der Brust,
verdreckt, ein finsterer Zeuge seines Sterbens.
    »Ich komme
wieder«, erklärte ich dem Colonel und ging schnell zurück ins Wohnzimmer.
    Sonja
zählte das Geld und steckte es in die Tasche, dann sagte sie, ich solle ein
paar Decken holen und den Jungen wecken.
    »Wir
gehen. Ich nehme Foskos Wagen und lasse ihn irgendwo in Charlottenburg stehen.
Sie finden ihn dort, wenn Sie wollen.«
    Ich befolgte
ihre Wünsche ohne ein Wort. Der Junge wollte nicht aufwachen, und so trug ich
ihn hinaus in den Käfer.
    »Lassen
Sie mich in Ruhe«, sagte sie, als sie den Motor anließ. »Denken Sie nicht mal
daran, mir nachzustellen.«
    Ich
versprach es ihr und winkte ihr nach, als sie aus der Einfahrt fuhr, ging
wieder hinein, kochte mir eine große Kanne Kaffee und stieg die Treppe hinauf.
    Wissen
Sie, was ich dann tat?
    Ich saß da
und sah Fosko beim Sterben zu.
    Ich
schwöre bei Gott, er brauchte die ganze Nacht dazu.
    Als er
fertig war, riss ich den Affen von seinem Hemd und steckte ihn draußen in die
alte Außentoilette. Dann rief ich die britische Militärpolizei an, um einen
schrecklichen Unfall zu melden.
     
    »Was ist
passiert?«, fragte der Bursche am anderen Ende der Leitung.
    »Ein
häusliches Missgeschick«, sagte ich. »Ich wollte mich gerade zum Dienst melden
und fand den Colonel tot in seinem Arbeitszimmer. Er scheint auf sein
Bügeleisen gefallen zu sein.«
    »Bleiben
Sie, wo Sie sind. Wir kommen sofort mit einem Krankenwagen.«
    Ich folgte
der Aufforderung und machte mich auf hundert indiskrete Fragen gefasst.
     
    Vierter Teil
     
    Nach Pavel
     
    Frühling 1947
     
    D er
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