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Vorhofflimmern

Vorhofflimmern

Titel: Vorhofflimmern
Autoren: Johanna Danninger
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Gutes
abzugewinnen.
    Das Go war die einzige Diskothek in Wollbach, aber für die
hiesigen Kleinstadtverhältnisse überraschend groß und exklusiv. Tatsächlich zog
es mit verschiedenen Mottopartys viele Gäste aus dem ganzen Landkreis an und
auch unsere feierwütigen Nachbarn, die Österreicher, waren hier regelmäßig
anzutreffen.
    An diesem Abend gab es wohl keine konkurrierende
Veranstaltung in der Nähe, denn die Disco war brechend voll. Ich lehnte mit dem
Rücken am Tresen und beobachtete die Partymeute, während Vera mir irgendetwas
von ihrer Arbeit erzählte, wobei ich aufgrund der lautstarken Musik sowieso nur
die Hälfte verstand. Pflichtbewusst nickte ich an den entsprechenden
Erzählpausen und versuchte wenigstens den Anschein eines guten Zuhörers zu
wahren.
    „... noch sauer auf mich?“, fragte Vera.
    Ich bemerkte das Fragezeichen am Ende des Satzes und richtete
meine Aufmerksamkeit auf meine Freundin. „WAS?“
    Vera stemmte die Arme in die Hüften und blickte mich
vorwurfsvoll an.
    „OB DU IMMER NOCH SAUER AUF MICH BIST!“, brüllte sie.
    „NEIN!“, brüllte ich zurück.
    Nein, das war ich wirklich nicht. Auf Vera konnte man
eigentlich nicht sauer sein. Zumindest nicht länger als zehn Minuten. Sie war
eine jener Persönlichkeiten, die mit einer dauerhaften Zuversicht geprägt
waren. Ihr Gesicht schien von einem notorischen Grinsen belegt zu sein und sie
hatte die Angewohnheit andere Leute damit zu infizieren. Vera war die gute
Laune in Person.
    Ich wuschelte ihr frech durch die knallrot gefärbte Bobfrisur
und neigte mich näher an ihr Ohr, um morgen nicht heiser zu sein: „Ich bin
nicht sauer!“
    „Hey! Du kannst doch nicht einfach meine Frisur zerstören!“,
entrüstete sich Vera und tastete empört nach ihrem Heiligtum.
    „Keine Sorge!“, gab ich zurück. „Bei so viel Haarspray breche
ich mir eher noch einen Fingernagel ab, als dass ich nur eine einzige Strähne
von dir bewegen könnte!“
    Tatsächlich sah sie nach meiner Wuschelaktion genauso aus wie
vorher. Klassischer Fall von Betonfrisur.
    Wir prosteten uns lachend zu und schlürften schweigend an
unseren Proseccos. Plötzlich stieß Vera mich unsanft in die Seite: „Oh, guck!
Die Obertussi von der 3 ist auch hier!“
    Ich folgte ihrem Blick, fand die besagte Tussi auf der
Tanzfläche und erkannte in ihr Schwester Steffi von der orthopädischen Station.
Obwohl ich sie eigentlich nur mehr oder weniger vom Sehen kannte, mochte ich
sie trotzdem nicht. Die wenigen arbeitsbedingten Wortwechsel, die ich bisher
mit ihr führen musste, hatten mir bereits gereicht.
    Steffi war zwar unglaublich von sich selbst überzeugt, aber
diese Eigeneinschätzung bestätigte nur ihre offensichtliche Dummheit. Es gab
Menschen, die waren einem trotz einer dümmlichen Art auf eine tollpatschige
Weise sympathisch. Und es gab Menschen wie Steffi, die nicht nett-dumm, sondern
einfach nur dumm-dumm waren.
    Mit hochgezogenen Brauen betrachtete ich die Leopardenpumps
an ihren Füßen. Grundsätzlich war ich der Meinung, dass hohe Absätze gut für
eine weibliche Haltung waren und durchaus sexy aussahen. Allerdings sollte man
auch damit umgehen können. Steffi war mit ihren Hacken eindeutig überfordert
und stelzte mehr, als dass sie ging. Man konnte beinahe schon Mitleid mit ihr
haben. Sie schwankte über die Tanzfläche und vermittelte dabei den Eindruck
eines Hochseilakrobaten. Am liebsten hätte ich ihr eine lange Stange zum
ausbalancieren gebracht.
    „Gott, ihre Extensions sind so schlecht. Eigentlich sollte
sie ihren Frisör verklagen“, lästerte Vera.
    Ja, Frauen können manchmal zueinander echt gemein sein, aber
die schwarzen Fransen, die Steffi über die Schultern hingen, sahen wirklich bescheuert
aus.
    Weil ich sonst auch nichts Besseres zu tun hatte, beobachtete
ich sie eine Weile bei ihren Tanzversuchen. Vera sorgte derweil für Nachschub
der alkoholischen Natur.
    Während ihrer vermeintlich erotischen Verrenkungen, schweifte
Steffis Blick durch den Club. Sie war eindeutig auf der Suche nach einem
männlichen Opfer, das sie bezaubern konnte. Ich musste laut lachen, als ein
sichtlicher Ruck durch ihren Körper ging. Sie hatte wohl einen entsprechenden
Typen gefunden. Amüsiert verfolgte ich ihre abgehackten Bewegungen, mit denen
sie sich langsam über die Tanzfläche arbeitete. Irgendwie erinnerte mich ihr
Anblick an den einer Gottesanbeterin auf Männerfang. Mein Lächeln gefror mir
auf den Lippen, als ich das Objekt ihrer Begierde
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