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Vorhofflimmern

Vorhofflimmern

Titel: Vorhofflimmern
Autoren: Johanna Danninger
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das Unterlassen eines
entsprechenden Kommentars war nämlich der, dass mir so viele auf der Zunge
lagen, dass ich mich schlichtweg nicht entscheiden konnte. Ich schluckte
sämtliche harte-Kerle-weiche-Teile-Sprüche hinunter und besah stattdessen ernst
die Röntgenaufnahme eines gebrochenen Unterarms.
    „Wollen Sie reponieren?“, fragte ich den Arzt.
    „In diesem Fall schon. Der Arm ist schon zu sehr geschwollen,
um sofort zu operieren. Wir müssen ihn erst ein paar Tage Ruhigstellen.“
    Ich nickte. „Bruchspaltanästhesie?“
    „Ja, 10ml sollten reichen.“
    „Natürlich reicht das“, meinte ich und wandte mich zum Gehen,
„schließlich gehört der Arm zu einer Frau.“
     
    Drei Stunden, sechs Prellungen, vier
Brüche und einige Platzwunden später, saß ich mit meiner Lieblingskollegin
Sandra bei einer wohlverdienten Tasse Kaffee in unserer Küche.
    Eigentlich war das Zimmer viel mehr als nur eine Küche. Er
war gleichzeitig Aufenthaltszimmer, Büro, Konferenzraum, Entspannungsoase und
Gerüchteredaktion. Kurzum: das Zentrum der gesamten Notaufnahme.
    Ich nippte zufrieden an meiner Tasse. Obwohl mein Oberteil an
meinem feuchten Rücken klebte, genoss ich den heißen Koffeinschub. Für Kaffee
konnte es meiner Meinung nach nie zu heiß sein.
    Die bedächtige Stille unserer kleinen Pause wurde jäh
unterbrochen, als OA Reinmann gestresst herein rauschte. Der betagte Chirurg
war immer gestresst. Ich konnte mich nicht erinnern, den Mann mit dem roten
Gesicht und dem ausgeprägten Bierbauch auch nur einmal entspannt gesehen zu
haben. Er ging gestresst, er redete gestresst, er lachte gestresst...
wahrscheinlich konnte er sogar gestresst schlafen. Trotzdem war er ein
fabelhafter Arzt und seine gewöhnungsbedürftige Art machte ihn zu einem
einzigartigen Mitglied der Krankenhausgemeinde. Reinmann hatte einen grandiosen
trockenen Humor und mit ihm konnte ich herrliche Streitgespräche führen, ob
denn nun Männer wirklich das starke Geschlecht waren, oder wohl doch eher die
Frauen (wobei natürlich letzteres stimmte).
    Reinmann ließ sich lautstark auf einen Stuhl fallen und
wischte sich stöhnend den Schweiß von der Stirn. „So eine Affenhitze. Und das
im Mai! Ist ja nicht zum Aushalten!“
    Ich ignorierte sein Gejammer und breitete stattdessen lieber
die Tageszeitung vor mir aus. Sandra erbarmte sich und schenkte dem Doktor eine
Runde Mitleid.
    „Ach, Herr Oberarzt“, sagte sie, „was machen Sie denn
überhaupt so spät noch hier? Haben Sie Dienst?“
    „Leider“, bestätigte Reinmann.
    „Och!“ Sie mimte dabei den Tonfall mit dem man ein kleines
Kind tröstete, wenn es sich das Knie aufgeschlagen hatte. Dem Oberarzt schien
es zu gefallen.
    „Ja, ich weiß auch nicht, warum ich so viele Dienste machen
muss“, jammerte er.
    Ich verdrehte die Augen. „Weil Sie dafür bezahlt werden“,
murmelte ich, ohne von der Zeitung aufzublicken.
    „Lena! Was sind Sie denn schon wieder so zickulös?“
    „Ich bin nicht zickulös . Ich habe nur die Wahrheit
gesagt.“
    Reinmann gluckste und grapschte nach der Zeitung.
    Hallo? Die Zeitung lag doch wohl eindeutig vor mir!
    „Hey!“, schimpfte ich und hielt entschlossen das Papier fest.
„Ich lese gerade - wie man im Übrigen deutlich erkennen kann. Sie könnten
wenigstens fragen!“
    Er hob abwehrend die Hände. „Hilfe! Sind Sie immer so
streng?“
    „Wenn´s sein muss.“
    „Ihr Zukünftiger wird es aber mal nicht leicht mit Ihnen
haben!“
    Sandra knuffte mich frech in die Schulter. „Deswegen traut
sich ja keiner an unsere Lena heran.“
    „Weil sie Angst haben?“, mutmaßte Reinmann.
    „Ja, sie sind total eingeschüchert!“, bestätigte sie nickend.
    Moment mal! Ich war schließlich auch noch anwesend!
    Angesäuert schob ich dem Oberarzt den Sportteil zu. „Bin ich
zu stark, sind sie zu schwach“, erklärte ich knapp.
    Reinmann amüsierte sich köstlich über meinen Spruch. Sandra
schüttelte nur skeptisch den Kopf.
    „Lena, du und deine hohen Ansprüche“, meinte sie.
    „Ich habe keine hohen Ansprüche, nur... Ansprüche“,
erklärte ich und versuchte das Thema damit zu beenden.
    „Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?“, wollte Reinmann
wissen.
    Ich verkniff mir das schnippische „Dürfen Sie nicht!“ und
antwortete: „Ich bin 25.“
    „Was? Und noch nicht verheiratet?“
    Wie bitte?
    „In ihrem Alter hatte ich schon die ersten
Scheidungsgedanken!“
    Natürlich war das Blödsinn, denn ich wusste genau, dass der
Oberarzt schon seit
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