Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorhofflimmern

Vorhofflimmern

Titel: Vorhofflimmern
Autoren: Johanna Danninger
Vom Netzwerk:
meinen Jeans tastete. In der
Aufregung vergaß ich sogar, dass mein Schlafzimmer über einen Lichtschalter
verfügte, darum stolperte ich in der Dunkelheit herum und holte mir bei meinen
panischen Anziehversuchen diverse blaue Flecken. Wirklich erstaunlich, wie oft
man sich das Schienbein an derselben Bettkante stoßen konnte.
    Irgendwie schaffte ich es lebend aus dem Raum zu kommen,
stürzte noch schnell ins Bad, weil sich so etwas nach dem Aufstehen niemals
vermeiden lässt, hielt mich nicht lange mit diversen Kleinigkeiten auf, wie
beispielsweise Zähneputzen oder Haare kämmen, und stürzte mich schon sechs Minuten
nach dem Telefonat das Treppenhaus hinunter. An der Eingangstür stellte ich
fest, dass ich meinen Geldbeutel vergessen hatte, darum stürzte ich mich wieder
hinauf, packte das Teil und raste sogleich wieder hinunter, wobei ich ungefähr
vier Stufen mit meinem Hintern überwand.
    Keine Zeit für Schmerz. Muss Konzertkarten kaufen!
    In einer Mischung aus Gehen, Laufen und Humpeln verließ ich
das Mehrfamilienhaus. Die Kahnstrasse war nicht weit von meinem Wohnblock
entfernt, darum verzichtete ich auf meinen alten Ford und eilte zu Fuß den
Gehweg entlang in Richtung Stadtzentrum. (Dieses sogenannte Zentrum bestand aus
einer Kirche, einer Bankfiliale, der Realschule und einer Fußgängerzone von der
Größe einer geräumigen Parkbucht.)
    Auf meinem Weg musste ich mindestens sieben fahrradwütigen
Rentnern ausweichen und konnte nur durch meine jahrelange Actionfilmerfahrung
das Schlimmste verhindern.
    Völlig außer Atem, verschwitzt und hinkend bekam ich endlich
die Kartenvorverkaufsstelle in Sicht. Ich wollte die letzten Meter vor der
Ladentür nutzen, um wenigstens ein bisschen menschlich auszusehen, darum
verlangsamte ich mein Tempo und zwang meine blonde Mähne zu etwas, das man mit
viel Fantasie einen Pferdeschwanz nennen konnte. Ohne Bürste verhielten sich
meine Haare allerdings wie pubertierende Teenager und weigerten sich wo es nur
ging.
    Der haarsträubende Kampf beanspruchte meine volle
Aufmerksamkeit. Ein Mann verließ schwungvoll den Laden und ich bemerkte ihn
erst, als ich mit voller Wucht gegen ihn prallte. Durch den Zusammenstoß fiel
zu allem Überfluss auch noch mein Geldbeutel hinunter, den ich irgendwie in der
Ellenbeuge eingeklemmt hatte, um beide Hände für den Haargummi frei zu haben.
    Nun war es so, dass sich in solchen Situationen das Schicksal
immer auf besonders grausame Weise zeigen wollte, darum öffnete sich bei dem
Aufprall das Kleingeldfach meiner Geldbörse und der nicht unwesentliche Inhalt
ergoss sich fröhlich klimpernd auf den Asphalt.
    Ich hörte das Desaster erst, bevor ich es mit eigenen Augen
sah, denn mein Gesicht presste sich nach wie vor gegen das plötzlich
aufgetauchte Hindernis, das rot zu sein schien und zudem unheimlich gut
duftete.
    Mir dämmerte, dass es sich dabei um ein rotes T-Shirt
handelte und weil der Besitzer des Kleidungsstückes eindeutig atmete, konnte
ich eine Schaufensterpuppe ausschließen. Langsam wich ich ein Stück zurück und
sah meine Vermutung bestätigt: Ich hatte meine Nase gegen eine fremde
Männerbrust gepresst.
    Langsam glitt mein Blick über die besagte Brust nach oben und
hielt bei den schönsten Augen an, die ich jemals gesehen hatte.
    Erst in diesem Moment begriff ich was der Ausdruck ´strahlend
blau` wirklich bedeutete.
    Der Anblick dieser Tiefe und Schönheit faszinierte mich und
ließ mich unwillkürlich alles um mich herum vergessen. Die Farbe erinnerte mich
an einen Ozean und ich wollte mich sofort in ihn hineinstürzen und darin
verlieren.
    Eine angenehme Stimme riss mich aus meiner Träumerei. „Alles
in Ordnung?“
    Mein Gehirn brauchte einen Moment um die peinliche
Gesamtsituation zu erfassen. Schließlich erreichte mich die Erkenntnis und ich
trat hastig einen Schritt zurück. Ich richtete meinen Blick auf den Boden und
schnappte nach Luft. Mit einem hervorgepressten „Verdammter Mist!“ ging ich in
die Hocke und begann hektisch das entflohene Kleingeld einzusammeln.
    „Tut mir echt leid“, sagte der Mann. „Ich hab dich zu spät
gesehen.“ Er bückte sich ebenfalls um mir bei der Münzjagd zu helfen.
    „Nein, nein, nein!“, widersprach ich. „Es ist meine eigene
Schuld. Ich war gerade... äh... in Gedanken.“
    Schon nach kurzer Zeit war auch der letzte verirrte Cent
eingefangen. Langsam stand ich auf. Mein Hintern beschwerte sich kurz über die
Bekanntschaft mit den Treppenstufen und ich konnte ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher