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Vorhofflimmern

Vorhofflimmern

Titel: Vorhofflimmern
Autoren: Johanna Danninger
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vierzig Jahren mit derselben Frau verheiratet war.
    Sandra wusste das ebenfalls und das sagte sie ihm dann auch.
Reinmann ging nicht darauf ein.
    „Sie wissen ja was die Abkürzung EHE bedeutet?“, fragte er
feixend. „Errare humanum est. Das heißt übersetzt: Irren ist...“
    „... menschlich“, schlossen Sandra und ich gleichzeitig den
Witz, den wir von ihm schon tausendmal gehört hatten.
    Reinmann freute sich trotzdem über die Pointe und glättete
grinsend den Teil der Zeitung, den ich ihm wohlwollend überlassen hatte. Er las
ein paar Zeilen, dann sah er mich an, als hätte er gerade einen grandiosen
Einfall gehabt. „Schwester Lena! Nächste Woche fängt der neue Assistenzarzt an.
Der wäre doch was für Sie!“
    „Gott bewahre! Kein Arzt!“, schnaubte ich überzeugt.
    „Warum denn nicht?“
    Ich schenkte ihm einen vielsagenden Blick. „Die sind immer so
gestresst.“
    Sandra kicherte. Der Oberarzt verstand meinen Wink wohl nicht
ganz.
    „Ach was“, meinte er, „Dann suchen Sie sich am besten einen
Tuckologen. Der ist an Frauen gewöhnt und lässt sich nicht so schnell aus der
Ruhe bringen.“
    (Tuckologe war ein Reinmannsches Synonym für Gynäkologe)
    Ich machte ein todernstes Gesicht und sagte: „Männer, die
mehr von meiner Vagina wissen, als ich selbst, sind mir unheimlich.“
    Der Arzt prustete los, während Sandra kurz nach Luft
schnappte, bevor sie dann doch Kichern musste.
    „Haben Sie den neuen Doktor denn schon gesehen?“, fragte sie
dann neugierig und lenkte Reinmann endlich von mir ab.
    „Ja ja!“, bestätigte er eifrig. Er beugte sich
verschwörerisch vor. „Ein absolutes Highlight, soweit ich das als Mann
beurteilen kann.“
    Nun, das konnte er nicht. In der Vergangenheit hatte er uns
schon des Öfteren eine vermeintliche Augenweide angekündigt, welche sich stets
als ziemlich öde Landschaft entpuppt hatte.
    „Macht einen sehr fähigen Eindruck, der Bursche“, fuhr er
fort, wobei auch diese Aussage mit Vorsicht zu genießen war. „Er hat schon
einige Zeit in der Chirurgie gearbeitet und er braucht nur noch ein halbes Jahr
für seinen Facharzt, also gehe ich davon aus, dass er schon was kann.“
    Okay, das klang tatsächlich vielversprechend. Natürlich fiel
kein Meister vom Himmel, aber die Assistenten, die frisch von der Uni zu uns
kamen, waren dann doch oft mehr als anstrengend.
    Reinmann wusste noch mehr zu erzählen, doch in diesem Moment
schrillte deutlich die Türglocke und kündigte einen neuen Patienten an.
    Ich warf einen sehnsüchtigen Blick auf meine halbvolle Tasse
zurück, als ich unmotiviert aus der Küche schlurfte.
    Patienten konnten einem wirklich die ganze Schicht
vermiesen...

Kapitel 2
    Ich träumte sehr seltsame Dinge: Ich
saß auf einem Thron und sah schweigend Oberarzt Reinmann an, der lachend vor
mir stand und mit einer Zeitung vor meinem Gesicht herumwedelte. Plötzlich
stand meine Mutter neben ihm und starrte mich vorwurfsvoll an. „Warum schenkst
du mir keine Enkel?“, wollte sie wissen. Ich wollte mich verteidigen, doch ich
konnte den Mund nicht öffnen. Immer drängender und flehender wurden ihre
Blicke, aber ich starrte nur vor mich hin, während Reinmann immer noch lachte.
Meine Mutter wurde ungeduldig, weil ich nicht antwortete, darum riss sie dem
Oberarzt die Zeitung aus der Hand, rollte sie zusammen und schlug mir damit
immer wieder auf den Kopf, bis es in meinen Ohren zu klingeln anfing. Was
sollte das? Sie sollte aufhören! Das Papier vibrierte in ihren Händen und...
    … ich wachte auf und hing für einen Moment in dem
verwirrenden Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit fest. Die Zeitung lag auf
meinem Nachttisch, brummte und sang weiterhin vor sich hin und ich war immer
noch wütend auf meine Mutter.  Während ich noch darüber sinnierte, was ihr
eigentlich einfiel, mich so zu behandeln, realisierte ich gleichzeitig, dass
die vibrierende Zeitung mein Handy war und mir die Melodie deswegen so bekannt
vorkam, weil sie meinen Klingelton darstellte.
    Die Rollläden waren heruntergelassen, darum mangelte es
meinem Schlafzimmer erheblich an Licht. Mein Radiowecker blinkte mir mit seiner
gewohnt aufdringlichen Art die Zahlen 09:34 entgegen.
    Welcher Vollidiot besaß bitteschön die Frechheit, mich in
meiner Spätdienstwoche um eine solch unchristliche Zeit aufzuwecken?
    Schlaftrunken tastete ich nach dem nervtötenden Handy und gab
dabei Geräusche von mir, die genauso gut von einem Affen auf Drogenentzug
hätten stammen können. Meine
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