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Totenblick: Thriller (German Edition)

Totenblick: Thriller (German Edition)

Titel: Totenblick: Thriller (German Edition)
Autoren: Markus Heitz
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Prolog
    Leipzig, Connewitzer Kreuz, 15. Oktober
    A rmin Wolke kam über die kopfsteingepflasterte Ausfahrt des Werk II gestolpert.
    Im Kopf dröhnten die letzten Töne der Zugabe von Solitary Experiments und jede Menge Promille, die er sich über die Bierchen in den vergangenen Stunden akribisch zugeführt hatte. »Da leck mich doch am …«, murmelte er und musste sich an der rauhen Backsteinwand abstützen; die letzten Reste einer vertrockneten Kletterpflanze lösten sich unter der Berührung und rieselten raschelnd zu Boden.
    »Alles klar?«, sagte eine junge Frau im Vorbeigehen.
    »Schon gut«, antwortete er, atmete tief ein und rülpste. Bier, Kohlensäure, ganz unschick, gerade im Dialog mit hübschen unbekannten Damen. Da Armin prinzipiell nie Gehörschutz benutzte, weil er ihn als Sounddiaphragma ablehnte, hörte er alles dumpfer. Ein leichtes Piepsen im rechten Ohr warnte ihn davor, sich morgen wieder 120 Dezibel zu geben. Konnte er auch nicht. Da befand er sich in einer anderen musikalischen Welt, ganz ohne dröhnende Bässe und Synthesizer. »Geht gleich wieder.«
    »Kenn dein Limit«, erwiderte sie lächelnd und folgte ihren Begleiterinnen.
    Kleine Klugscheißerin, dachte Armin grinsend und verließ leicht schwankend das Veranstaltungsgelände, das im 19. Jahrhundert als Gasmesserfabrik errichtet worden war. Nun vereinte das Werk II als Kulturstätte verschiedene Hallen und Räumlichkeiten, in denen Konzerte, Theateraufführungen und Events stattfanden.
    Armin hörte noch immer den Bass, der in seinen Ohren brummte. Solitary Experiments hatte passend zur alten Bestimmung des Bauwerks sprichwörtlich Gas gegeben. Die Electrobeats der Berlin-Leipziger Band brachten ihn und die Besucher zum Tanzen und Schwitzen. Und wie immer hatte der Schlagzeuger sich zur Freude der Mädels das rote Hemd vom tätowierten Oberkörper gerissen und mit den Sticks auf die Drums eingedroschen.
    Jetzt war Armin müde und wollte nur nach Hause. Auch wenn man sich mit 26 Jahren durchaus noch jugendliche Unvernunft leisten konnte, verzichtete er lieber darauf. Sein Ausflug stellte genug Aufbegehren gegen sein sonstiges Leben dar.
    Die Cargohose, das dünne schwarze EBM-Shirt mit dem silbernen Aufdruck Old School, alles klebte an ihm. Jemand hatte ihm dazu noch einen Drink übergekippt, so dass er wie ein besoffenes Gummibärchen stank. Das Gel für die nach hinten gelegten hellbraunen Haare hätte er sich sparen können.
    Die Menge umströmte und überholte ihn. Alle wanderten zur Tram, um in die Innenstadt zu gelangen.
    »Ja, fein«, motzte er, weil er ahnte, dass er nicht mehr in die nächste Bahn passen würde. »ÖPNV-Lemminge.«
    Und es kam noch schlimmer: Aufgrund eines Unfalls, das verkündete die kleine Anzeige in orangeroter Laufschrift am Bahnsteig, waren die Linien in Richtung Hauptbahnhof vorerst lahmgelegt. Als Ersatz standen Busse mit Warnblinkanlagen auf dem Randstreifen bereit.
    »Nee, ohne mich«, murmelte Armin mit einem Blick auf die Massen, die sich im Inneren zusammenquetschten. Er beschloss zu laufen, bis er an eine Haltestelle kam, die wieder angefahren wurde.
    Außerdem konnte er unterwegs ein bisschen ausnüchtern. Seine Kirsche, Mendy, würde ihm sonst wortlos das Kissen aufs Sofa packen. Sie hatte ihm bereits vorher deutlich zu verstehen gegeben, dass sie den Konzertbesuch schlecht fand. Total betrunken durfte er nicht ins Schlafzimmer kommen. Die subversive Macht der Frauen.
    Er lief los, vorbei an den Fronten geschlossener Geschäfte und noch geöffneter Bars und Restaurants.
    Am Wochenende war in der Gegend zwar einiges los, richtig voll wurde es aber erst weiter unten in der KarLi, in der Karl-Liebknecht-Straße, wo sich die Bars und Restaurants aneinanderreihten. Da könnte er vielleicht bei einem Spätkauf noch ein Wegbier … Armin verwarf den Gedanken.
    Heute war auf den Bürgersteigen der KarLi weniger Betrieb als üblich. Der kalte Wind jagte die Nachtschwärmer ins Innere der Kneipen. Die Nacht roch nach den Kippen der Raucher, die gelegentlich vor die Tür mussten, um ihrer Sucht zu frönen, und nach Essensdünsten, die aus den Abzugsschächten der Gastronomie quollen.
    Die Bewegung verschaffte Armin etwas Wärme, aber er fröstelte dennoch. Sein dünner Körper kannte so etwas wie eine isolierende Fettschicht nicht. Schließlich verfiel er in leichten Laufschritt, um nicht zu sehr auszukühlen.
    Dabei folgte er immer der KarLi und hoffte auf eine Tram. Taxi wollte er nicht fahren, das
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