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Vor Nackedeis wird gewarnt

Vor Nackedeis wird gewarnt

Titel: Vor Nackedeis wird gewarnt
Autoren: Frank Charles
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nach, aber im Endergebnis kam sie immer wieder zu dem gleichen Schluß. Richard war einfach nett. Sie mochte ihn sehr gern. Aber er war ein um seine Existenz ringender Rechtsanwalt, der nichts weiter als seine Ausgaben decken konnte. Selbst als Parlamentsmitglied war seine Lage nicht besonders rosig oder gesichert. Im nächsten Jahr würden Neuwahlen stattfinden, und sein Sitz war ihm absolut nicht sicher. Sie war intelligent genug, zu wissen, daß Richard bei der Neuwahl mit einem blauen Auge davongekommen war. Er war schließlich nur deswegen durchgekommen, weil bei der Nachwahl die Hälfte aller Wahlberechtigten kein Interesse an der Wahl hatten.
    Alles das war zwar sehr logisch, aber die Logik wird nie eine exakte Wissenschaft sein, bis sie die gefühlsmäßigen Faktoren in die Überlegungen einbezieht. Colettes Logik fehlte leider diese Voraussetzung völlig. Die grausige Überfahrt ließ eine völlig veränderte Colette in Dover auf die Gangway steigen. Von der selbstbewußten jungen Dame, die in Calais an Bord gegangen war, war nicht mehr viel übriggeblieben.
    Die grauen Felsen von Dover lösten sich aus dem Nebel, und die Fähre lief in den inneren Hafen ein. Colette stolperte würgend auf die Gangway. Sie gab ihren Fahrschein ab und öffnete vor den Zollbeamten ihren Koffer. Sie merkte, daß sie noch am Leben war. Der Boden des Zollgebäudes schien sich sanft unter ihren Füßen zu heben und zu senken.
    Dann legte sich eine feste Hand auf ihren Arm, und sie schaute auf, direkt in das Gesicht von Richard Widderby. »Hallo«, sagte er.
    »Allo«, sagte sie schwach und brach in Tränen aus.
    Sie spürte, wie zwei Arme sie fest umschlangen, und legte ihren Kopf an seine Schulter, an die angenehmste Schulter ihres Lebens. Die Logik löste sich auf, machte dem Gefühl Platz, und zwar kampflos.

    Richard führte sie zu einem kleinen Café am Hafen und flößte ihr dort einen Kaffee ein, schwarz, heiß und süß.
    »Colette, mein Liebling«, sagte er. »Ich wünschte, du würdest mich heiraten.«
    Colette starrte ihn an und wurde sich darüber klar, daß ihr irgendwie die Dinge aus der Hand genommen worden waren. Aber wie, das konnte sie auch nicht sagen. Sie wußte jedoch, daß die einzige Antwort auf diese Frage ein eindeutiges, klares Nein sein mußte.
    Sie sagte: »Ja.«
    In diesem Augenblick verflogen plötzlich alle ihre Sorgen. Die Entscheidung war gefallen, und die Ereignisse entwickelten sich schnell und entschieden in einer anderen als der geplanten Richtung. Und wieder brach sie in Tränen aus.
    Sie schluchzte: »Oh, oh, ich bin so glücklich.«

    Es war gar nicht erst notwendig, Adele und Bernie darüber aufzuklären, was geschehen war. Richard und Colette waren vor dem hinteren Eingang von Haus Seeblick vorgefahren.
    Die Ereignisse standen den beiden im Gesicht geschrieben.
    Adele, die ihre Mißbilligung geschickt verbarg, meinte: »Ich hoffe, ihr beide werdet sehr, sehr glücklich sein.«
    »Meinen Glückwunsch«, brüllte Bernie und küßte Colette.
    Nachdem sie erst einmal in ihren eigenen vier kleinen Wänden saß, erholte Colette sich sehr schnell von der Seekrankheit. Sie brauchte sich gar nicht erst an dem Gedanken zu beruhigen, daß die Wellen jetzt noch höher schlugen als bei der Kanalüberquerung.
    Sie wußte nicht, daß es keine Rückfahrt geben würde.
    Von der offenen See her blies ein orkanartiger Sturm mit der Schärfe eines Rasiermessers. Unten am Strand staute sich das Wasser in einer beängstigenden Höhe.
    In dem älteren Teil der Stadt standen die Fischer an der Kaimauer und atmeten erleichtert auf, als sie sahen, daß das Wasser einen Fußbreit vor der Mauer zum Stehen kam.
    Auch Commander Willoughby Potter kannte die See und inspizierte die Kaimauer. Er maß dabei mittels einer Lotleine die Bewegungen der Wellen.
    Zu einem Fischer gewandt, meinte er: »Heute abend wird die Flut sehr hoch sein. Vollmond. Ich bete zu Gott, daß der Sturm nachläßt. Denn der drückt die See landeinwärts. Meinen Sie, die hält?«
    »Ja, doch«, knurrte der Fischer, der vor sich hinstarrte.
    Die ältesten Einwohner der Stadt standen gedrängt an der Theke der Meermaid. Ein solches Wetter hatten sie noch nie erlebt - nicht während der letzten fünfzig Jahre oder länger. Stur tranken sie ihr Bier. Sie wußten genau, was sich vor fünfzig Jahren ereignet hatte.
    Aber in Haus Seeblick waren Adele und Bernie fest eingeschlafen.
    Andy schlief. Und auch Colette.
    Am Morgen wurden sie wach. Sie erwachten,
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