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Vor dem Fest

Vor dem Fest

Titel: Vor dem Fest
Autoren: Saša Stanišic
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    Auch Auswärtige werden mitbieten und über manches Angebotene lachen, am heftigsten, wenn es gar nichts zum Lachen gibt. So klingt es, wenn welche sich für klüger halten als die Geschichte, sie trauen uns die Ironie nicht zu.
    Unser Annenfest. Was wir feiern, weiß niemand so recht. Nichts jährt sich, nichts endet oder hat an genau diesem Tag begonnen. Die Heilige Anna ist irgendwann im Sommer, und die Heiligen sind uns heilig nicht mehr. Vielleicht feiern wir einfach, dass es das gibt: Fürstenfelde. Und was wir uns davon erzählen.
    Noch ist Zeit. Das Dorf schaltet die Fernseher aus, das Dorf flufft die Kissen auf, heute Nacht hat das Dorf kaum Geschlechtsverkehr. Das Dorf geht früh zu Bett. Lassen wir die Träumenden in Frieden. Vertreiben wir uns die Zeit mit den Ruhelosen:
    Mit unseren Seen, sie schlafen ohnehin nie.
    Mit den Tieren, sie ziehen in den Kampf. Im Schutz der Dunkelheit bricht die Fähe auf zu einer denkwürdigen Jagd.
    Mit unseren Glocken, gleich läuten sie den Festtag ein, und wer kann sich heute noch eines Glöckners rühmen und eines Lehrlings noch dazu?
    Herr Schramm wiegt die Pistole in der Hand.
    Auch Frau Kranz ist wach. Ist das nicht schade? Wie schön manch alte Frau doch schnarcht! Sie ist unterwegs, gut gerüstet für die Nacht: Taschenlampe, Regencape, die Staffelei hat sie geschultert, zieht den Trolley mit ihrem alten Lederköfferchen hinter sich her. Unter dem Woldegker Tor nimmt sie einen Schluck aus der Thermoskanne, darin ist nicht nur Tee. Frau Kranz ist bestens gerüstet.
    Und Anna, unsere Anna. Morgen ist ihr letzter Tag. Sie liegt im Dunkeln, summt ein Lied, das Fenster ist offen, eine einfache Melodie, die Nacht zieht kühl über ihre Stirn. Anna ist allein. Anna war im letzten Jahr viel allein auf dem Gehershof, umgeben von der heruntergekommenen Vergangenheit ihrer Familie, Großvaters Werkzeug, Mutters Garten, von Anna vernachlässigt, von den Wildschweinen geliebt, im Schuppen der Škoda, in dem die Katze ihre soundsovielte gescheckte Generation geworfen hat, unter dem Fenster das verwilderte Feld. Und heute Nacht, so eine Nacht ist das, Erinnerungen an ein einmal volles Haus, und die Frage, was je gut war für sie in den achtzehn Jahren dort, und am Montag kommt Lada zum Entrümpeln, und im Frühling übernehmen die Berliner, und Anna, allein, mit aufmerksamer Gleichgültigkeit den Gleichaltrigen gegenüber, Anna mit Abitur und Liebe zu Schiffen, Anna, die mit Großvaters Luftgewehr aus dem Badezimmerfenster auf die Wildschweine im Garten schießt, die durch Nächte läuft, auch heute Nacht, komm zu uns:Am Feld entlang, am Kiecker, an den Seen, all die alten Wege ein letztes Mal, das ist der Plan, Neubauten, Ruinen, Jugend an diesem Ort, wir sind froh, Anna ist nicht allein, Anna summt ein Lied, eine liebe, kindliche Melodie, wir sind bei ihr.
    Die Nacht vor dem Fest ist eine eigenartige Zeit. Früher einmal wurde sie Die Zeit der Helden genannt.Wir hatten zwar mehr Opfer zu beklagen, als Helden zu feiern, aber gut, es schadet nicht, auch mal das Positive hervorzuheben.
    Drüben bei den Öfen? Das Mädchen mit dem Holzscheit im Arm? Das ist die jüngste von denen, die man Heldin hieß. Ein Kind von gerade mal fünf Jahren, in einem oft geflickten Kittel und zu großem Hemdchen, mit Lederlappen an den Füßen. Neben ihr der Bruder, hell und dürr wie Birke. Ängstlich, aber stolz wirft er das Scheit, das die Schwester ihm gereicht, in die Flammen. In einen Ofen legt die Mutter Flachs zum Trocknen, im anderen will sie Brot backen für das Annenfest. Das Dorf feiert, dass der Krieg nicht länger stiehlt und frisst, vertreibt und tötet, dass die Ernte das Versprechen der Saat gehalten hat. Ausgelassen könnte es werden, der Stadtherr ist nicht da: Poppo von Blankenburg, grob, laut, gerecht nach seinem Recht.
    Das Dorf spricht täglich Gebete um ein Einigermaßen. Um ein Zumindest. Um den Fortbestand der Fische. Um den eigenen Fortbestand. Das Mädchen und der Bruder und die beiden Siebmacher-Jungen, sonst gibt es keine Kinder mehr.
    Wir schreiben das Jahr soundso. Frau
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