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Vor dem Fest

Vor dem Fest

Titel: Vor dem Fest
Autoren: Saša Stanišic
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Saat habe das Feuer auffbracht, sondern der Reuber Gehülfen, um diese zu befreien. Wider andre hielten der Herrschaft aus Prenzlow vor, den Scheiterhauffen schlecht und gefehrlich errichtet zu haben: Die hetten Zweye im Todt glotzen wollen, aber Hundert den Todt beinah gebracht. Einer gleichwol, Bartholomeus Schutte geheißen, will einen Fuchs erblicket haben, mit einem Feuer glühenden Scheit im Maul, so getrabt in deß Schmids Werckstatt, dieselbe sodann fast gentzlich ausgebranndt. Was vom Letzten zu halten ist, weiß nur der Brandtwein.
    Die Reuber aber waren für dießmal wider frey, und es würde nicht jeder sagen wollen, daß er ihnen dieß nicht gegönnet.
    In dem ungewitterlich Chaos aber, da die Leute die Flammen gelöscht, ist ihnen ein neuer reubisch Griff einfallen, daß sie nemlich unsre Glocken gestolen, welche der Glockener zur Hinrichtung mit Eifer geleutet und darnach zum Feuer. Jener ward geseilt und gebunden in der Glockenstube mit den Worten, das Geleute ziemet sich nicht, solang das letzte Wort nicht gesprochen.
    Die Glocken sind am Tiefen See gefunden worden. Wol war es, daß sie zu schwer für den Kahn gewesen, mit dem unser Fährmann Hinnerk Lievenmaul und Kunibert Schivelbein, genant Langbeiniger Kuno, ans andre Ufer gebracht.

V

ALL DAS WAR VORGEPLÄNKEL. Das Fest beginnt mit der Auktion am Tiefen See. Danach erst wird Musik gespielt, und Ditzsche tanzt, danach erst wird ausführlich gegessen, die Schweinespieße werden schon gekurbelt, es wird getrunken und verbrannt, Hexe oder Puppe, je nachdem.
    Frau Kranz wirkt etwas abwesend, müde vielleicht. Sie sitzt mittig auf einer Bierbank, bald umgeben von Nachbarn und Freunden. Gölow bringt ihr Wasser, Imboden küsst ihre Hand, das kann er nicht so gut, aber er will es unbedingt, na gut. Immer wieder gesellt einer sich zu ihr, berührt sie, was sie nicht mag, aber duldet, fragt nach ihrem Befinden und nach ihrem Bild. Sie sitze doch hier, sagt sie, also sei das Befinden gut, und das Gemälde sehe er ja gleich. Noch lehnt es neben dem Auktionsbiertisch, verhängt mit einem weißen Laken. Es ist mindestens doppelt so groß wie das von heute Nacht, aber das wissen die wenigsten.
    Die Stimmung ist ausgelassen: ein Schwein wandert zwischen den Bänken, spontane Ständchen von Schall und Rauch , man singt mit, es sind sicher an die zweihundert Menschen versammelt, viele kennen wir aus der Nacht.
    Das Schwein ist jenes, das mit dem Leben davongekommen ist, und wo wir schon bei Schweinen sind: Gölow hat, nach den Mini-Schweinen letztes Jahr, wieder etwas Besonderes mitgebracht. Im Besitz seiner Familie befindet sich seit vielen Generationen die geschnitzte Holzfigur eines Ferkels mit einem Menschenkopf. Sie ist gut fünfzig Zentimeter lang und dreißig hoch, und Gölow hat das freundliche Gesicht immer gern gemocht. Erst neulich hat er die Signatur entdeckt: Unter dem rechten hinteren Huf steht Wegener eingeritzt. Nachforschungen – Frau Schwermuth – ergaben, dass das Ferkel wohl an die vierhundert Jahre alt sein muss. Es habe damals in Fürstenfelde eine Schnitzerin dieses Namens gegeben, und es existiere eine Geschichte über das Ferkel, ob Gölow sie hören mag?
    Der Zieschke öffnet sein Bier und freut sich, dass so viele gekommen sind. Besonders grüßen möchte er Frau Kranz. Meine Damen und Herren, sagt Zieschke, Freunde. Er enthüllt das Gemälde, das Laken gleitet zu Boden.

DIE LEUTE STEHEN BIS ZUM KNIE IM TIEFEN SEE und rühren sich nicht. Niemand schwimmt, niemand hat nasses Haar. Haben sie Angst vor der Tiefe? Es ist windstill. Der See glatt wie fein vereist. Die Sonne knallt. Zwei junge Männer belauern einander, die Hände im Wasser, zum Losspritzen bereit. Ihre Gesichter verschmitzt, ihre Muskeln makellos. Ein dritter, abseits, sieht zu, die Badehose groß und bunt, die dünnen Arme wie Draht um den Oberkörper gewunden. Er wartet, dass das Spiel beginnt, und etwas sagt uns, er ist es, der es gleich von beiden abbekommt. Johann, das muss Johann sein, und die beiden anderen, Wölfe, Drachen, sind Lada und der stumme Suzi. Unweit von ihnen drei mit Altersflecken: der Glöckner, gekrümmt und nachdenklich, der Imboden mit Sonnenhut, die Hand um die Taille einer jungen Frau gelegt, und Eddie! Eddie lebt, Eddie hält einen Schraubenzieher ins Wasser, als wollte er den See ein bisschen lockern. Wen haben wir noch? Hier spielt einer Geige, das ist der Zieschke, kein Ton ist zu hören. Herr Schramm, drüben, Herr Schramm raucht. Der
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