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Vor dem Fest

Vor dem Fest

Titel: Vor dem Fest
Autoren: Saša Stanišic
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Die akustischen Vorboten des Festes sind das Bohrgeräusch einer Bohrmaschine und das Motorengeräusch eines Busses – die Räder drehen durch, stecken im Schlamm. Für die Bohrmaschine ist Lada verantwortlich. Lada weiß, er sollte das, was er gerade tut, nicht tun, aber das weiß Lada oft. Lada bohrt Löcher in den Gedenkfindling neben die Löcher, die es schon gibt. Es dauert nicht lange, bis die ersten Fenster ihn beschimpfen. Der Klassiker: Die Bohrmaschine ist viel zu laut, Lada hört keine Klagen. Oder er hört sie, und es ist ihm egal. Er hat die Nacht durchgemacht, er ist erschöpfter als die Wütenden, und der Erschöpfte hat immer Recht.
    Sonst hat das Dorf kaum Grund zur Beschwerde. Ein neuer Tag beginnt, und niemand ist tot. Und das, obwohl Pistolen im Spiel gewesen sind. Herr Schramm hat sich nicht und auch niemanden sonst erschossen. Frau Kranz ist nicht ertrunken.
    Fürstenfelde, Uckermark, Einwohnerzahl: unverändert.
    Auch Einbrüche hat es gegeben, einen oder zwei, sicher sind wir uns nicht, gestohlen wurde ja nichts. Alles gut, sofern es darum geht, zu behalten, was uns gehört. Was im Haus der Heimat vorgefallen ist? Glas bricht, und Strom fällt nun mal aus, und seit Eddie tot ist, kann man einiges mehr auf seine Kappe nehmen. Die Polizei jedenfalls ruft unsereiner ungern an, um zu berichten, dass es im Grunde nichts zu berichten gibt.
    Bald kommen schon die ersten Gäste. Einige Navigationsgeräte zeigen den Friedhofsweg und seine Verlängerung, die Promenade, als vollgültige Straße an. Circa auf halber Strecke soll ein großer Parkplatz sein. Das ist natürlich oft ein großer Spaß. Der Sat1- Übertragungsbus kann jedenfalls nicht bestätigen, dass es sich bei dem Friedhofsweg um eine voll befahrbare Straße handelt. Es sei denn, du bist ein Mountainbike. Der Sat1- Übertragungswagen kann auch den Parkplatz nicht bestätigen, oder, dass damit höchstens der See gemeint sein könnte. Der Friedhofsweg führt steil darauf zu. Rechts die Friedhofsmauer, links die Stadtmauer, geradeaus das Wasser. Keine Wendemöglichkeit. Bei Regen saugt der Boden sich voll, das kann der Bus bestätigen. Die Räder schleifen, der Rückfahrwarnton schwebt über dem Gefallenendenkmal, fiep-fiep-fiep, die Fledermäuse fliehen. Britta Hansen im Norwegerpullover auf dem Beifahrersitz. Sie hat den Fahrer, nennen wir ihn Jörg, vor dem Weg gewarnt, halbherzig aber nur, sie war so lange nicht mehr hier. Ihr Großvater ist für immer bei uns, er liegt nebenan in der weichen Erde. »Ich werd immer so scheiß wehmütig, wenn ich hier bin«, sagt sie. Jörg hat andere Probleme. Jörg schaltet einen Gang höher. Fiep-fiep-fiep.
    Keine zwanzig Meter weiter, am Wasser, sehen die Glocken dem großen Gefährt zu. Der Glöckner hat sich den Wecker nicht gestellt, und es passt prima, dass die Glocken außer Haus sind – kann er mal ausschlafen. Johann hat entschieden, die Prüfung durchzuziehen. Pa kümmert sich solang um Mu. Bloß müssen die Dinger irgendwie wieder hoch. Den Glöckner wollte er nicht beunruhigen, also hat er Lada angeschrieben, und Lada hat auch sofort geantwortet: »Klar was zalst du«. Und gleich darauf: »Machen wir so ich helf dir dafür kommst du nacher zu eddie und hilfst mir umsonst«. Und ein paar Minuten später: »Und meinen golf aus dem see ok«.
    Ulli hat die Wurst besorgt und die Garage aufgesperrt. Die Fleischplatten hat er mit Cocktailschirmchen dekoriert, das ist praktisch wegen den Zahnstochern. Jetzt wartet das so auf zwei Hockern, und es ist doch zu früh für Wurst. Gepichelt wird aber schon. Ulli bespricht mit einigen Rentnern aus den Neubauten den Spieltag. Das Ritual ist jeden Samstag dasselbe, Ulli besorgt die Wettscheine, doziert über die Quoten und die interessantesten Partien kurz und poetisch:
    »Hannover auswärts
    da wird nicht so viel gehen
    gegen BVB .«
    Dann wird angekreuzt und geträumt. Heute schenkt er den Rentnern dazu je ein Rubbellos. Das Schaben von Münzen liegt in der Luft.
    Ulli hat erlebt, dass gewonnen wurde, und irgendwann wird wieder gewonnen werden. Unten ist Fest, bei Ulli ist wie immer. Fast. Er spült die Gläser von gestern. Normal spülen die Gäste selbst, manchmal gibt es am Spülbecken eine kleine Schlange. Die Männer geben einander Tipps, wie es am besten geht (wie viel Spüli ist zu viel, beste Schwammtechnik ist so , das Abtrocknen etc.).
    Imboden kommt rein, leicht aufgeregt. Ob Ulli es schon gesehen habe. Was denn? Gut, dann soll Ulli mal
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