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Vom Schlafen und Verschwinden

Vom Schlafen und Verschwinden

Titel: Vom Schlafen und Verschwinden
Autoren: Katharina Hagena
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schwindelig. Der Wald war dunkelgelb. Ich sah einen Eisvogel, ein türkis irrlichterndes Karfunkelding, das ein ganzes Stück des Wegs neben mir über dem Kanal flirrte und irgendwann verschwand. Das Versteck war weiter weg, als ich es in Erinnerung hatte, das Licht wurde schwächer. Ich sah Benno am Ufer des Rheinarms, er lud mit einem Spaten Sand auf ein Holzgestell.
    – Benno?
    Er drehte sich jäh um, witternd, wie auf dem Sprung. Ich erschrak und blieb stehen. Er schaute mich an, versuchte sich zu entspannen und rief:
    – Ah. Du bist’s. Ich habe nicht mit dir gerechnet.
    Ob er gesehen hatte, wie ich zusammengezuckt war?
    – Nein, wie auch. Du bist telefonisch oder digital nicht mehr zu erreichen.
    – Unerreichbarkeit war schon immer mein Ziel.
    – Nun, du hast es geschafft.
    – Noch nicht ganz. Wie du siehst. Womit kann ich dienen?
    – Entschuldige die Störung. Ich wollte dich fragen, ob du etwas brauchst, es wird kalt.
    – Um mich das zu fragen, bist du hier herausgekommen?
    – Nein, ehrlich gesagt, habe ich die seltsamsten Dinge über dich gehört, und da wollte ich selbst nachsehen, was du machst.
    – Und was mache ich?
    – Weiß nicht, wonach sieht es aus, du wäschst?
    – Ja, aber was?
    – Keine Ahnung, Benno, sag du es mir.
    – Gold, Ellen, ich wasche Gold. Du sollst es erfahren,denn du bist diejenige, die mich auf die Idee gebracht hat. Du und Hugo. Hugo hat auch Gold gefunden.
    – Was steht wirklich in den Aufzeichnungen von Hugo?
    – Du weißt es doch längst. Er war nicht in Afrika, er war auch nicht Ausbilder, er war Goldwäscher, hier im Wald. Er hatte eine Geliebte aus dem Dorf. Er hat sie im Wald getroffen. Sie sammelte irgendwas, Pilze, Beeren, ich glaube Blaubeeren. Er schreibt etwas von ihren blauen Zähnen und den schwarzen Lippen. Sie war verheiratet.
    Benno sprach nicht mehr mit mir, sein Gedankenfluss verlief nur überirdisch.
    – Er schreibt, sie habe keine Angst vor ihm. Aber anscheinend weiß sie Bescheid. Hugo sieht, dass sie seine Militärstiefel und den Uniformmantel ansieht. Sie nicken sich zu, und sie geht fort. Sie dreht sich um, um zu sehen, ob er ihr folgt. Er schaut ihr nach, bis sie hinter den Bäumen verschwindet. Am nächsten Tag kommt sie wieder. Darüber scheint Hugo noch überraschter als beim ersten Zusammentreffen. Sie hat diesmal ein halbes Brot mitgebracht. Hugo schreibt sehr lange über den Geruch des Brotes, er scheint hungrig gewesen zu sein.
    Benno lächelte. Ich blickte weg.
    – Sie sprechen nicht sehr viel, sie heißt Adelheid Hof, geborene Fuchs, und besucht ihn im Sommer mehrmals in der Woche im Wald. Immer wieder leidet er unter Fieberschüben. Er sagt, es müsse wohl Malaria sein, und schreibt, er habe sich »halb totgelacht« darüber. Endlich habe er »etwas Afrikanisches«, das er der Mutter schreiben könne, und dann müsse er es verschweigen, damit sie sich keine Sorgen mache. Adelheid besorgt ihm Chinin, es wird besser, aber hört nicht auf. Als Adelheid schwanger wird, schreibt Hugo voller Glück darüber, dass sie als Familie im Paradies leben könnten, »was Adam und Eva versagt geblieben, das können wir leben, die Adelheid, das Kind und ich«.

    Er wäscht Gold, obwohl der Rhein seit der Begradigung schon lange nicht mehr viel hergibt. Aber er hat ein paar Stellen gefunden, die noch alte Ablagerungen bergen, also geht er ab und zu in die Stadt und verkauft das Gold. Sie leben einen Sommer hier im Wald. Dann, einige Wochen vor der Niederkunft, kommt sie nicht mehr, Hugo wartet. Er fürchtet, dass der Weg zu beschwerlich ist, dass das Kind zu früh gekommen ist. Sucht den ganzen Wald ab, nichts. Er überlegt, ins Dorf zu gehen, aber er ist ein Deserteur, er darf nicht auffallen. Und das Fieber macht ihn schwach.
    – Hat sie sich umgebracht?
    – Nein, sie ist wieder zurück zu ihrem Mann gegangen. Hugo hat den Zwischenhändler für den Rheingoldflitter gebeten, sich für ihn zu erkundigen.
    – Und das Kind?
    – Er hat es nicht aufgeschrieben. Ich weiß nur, was ich im Dorf gehört habe. Frau Seith weiß erstaunlich viel, sie wusste sogar etwas von Hugos Aufzeichnungen und sagte, ich solle Andreas fragen. Weißt du, was Andreas damit zu tun hat?
    – Benno, ich glaube nicht, dass das jetzt noch eine Rolle spielt. Lass es einfach, ja?
    Er hörte mich gar nicht.
    – Also, diese Großmutter von Frau Seith, Adelheid, hatte ein uneheliches Kind. Aber sie ist schwanger wieder zu ihrem Mann zurückgekehrt. Kurz nach der Geburt war das
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