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Schenk mir deinen Atem, Engel ...

Schenk mir deinen Atem, Engel ...

Titel: Schenk mir deinen Atem, Engel ...
Autoren: Dana Kilborne
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1. KAPITEL
    Liebes Tagebuch,
    heute haben wir Brighton erreicht. Ich bin ganz schön geschafft. Wir sind zwar nur etwas über anderthalb Stunden mit dem Auto von London aus bis hierher gefahren, aber die Fahrt war trotzdem anstrengend. Es gab ein paar Staus, außerdem war es sehr warm, und Will hat ganz fürchterlich genervt. Will … immer wieder Will! Weiß er denn gar nicht, wie gut er es hat?
    Aber es scheint hier sehr schön zu sein. Die Seeluft tut meinen Lungen gut, deshalb hat Dr. Brown ja auch zu dem Aufenthalt geraten. Und die Umgebung ist wirklich hübsch. Fast wie aus dem Bilderbuch. Wir haben unser Ferienhaus bezogen und alles ausgepackt. Das Haus ist auch ganz nett. Eigentlich ist es mehr eine Hütte als ein Haus, und es gibt nur wenige Zimmer. Deshalb habe ich auch wieder kein eigenes.
    Morgen wollen wir zum Baden ans Meer gehen. Ich freu mich schon drauf! Ach, die zwei Wochen, die wir hier bleiben werden, gehen bestimmt wieder viel zu schnell rum. Wie beim letzten Mal, als wir in Cornwall waren. Das ist schade. Am liebsten würde ich die Zeit einfach anhalten. So wie wenn man die Pause-Taste bei einem DVD-Player drückt. Ich weiß, ich weiß, das geht nicht. Natürlich weiß ich das, ich bin schließlich kein kleines Kind mehr, sondern schon neunzehn. Trotzdem frage ich mich manchmal, warum die Zeit so schnell vorbeigeht. Manchmal kommt es mir vor, als vergingen zwischen zwei Weihnachten nur zwei oder drei Monate und nicht ein ganzes Jahr. Geht das eigentlich nur mir so? Aber vielleicht ist es ja auch ganz gut, dass die Zeit nicht zu langsam vergeht. Denn je schneller die Ferien um sind, desto schneller kann ich zur Uni gehen. Und das will ich unbedingt! Ich bin doch so froh, dass ich im nächsten Monat anfangen kann zu studieren. Und vielleicht schaffe ich das Studium ganz schnell. Ich würde doch so gerne Tierärztin werden. Falls mir dazu noch die Zeit bleibt, wäre das wirklich sehr schön …
    So, ich gehe jetzt schlafen. Der Tag war anstrengend, und morgen möchte ich fit sein, damit ich auch alles genießen kann und …
    „He, was schreibst du denn da? Zeig mal her!“
    Faith Moningham hatte nicht gehört, wie ihr Bruder ins Zimmer gekommen war. Jetzt packte er ihr Tagebuch und zerrte daran, doch Faith hielt es mit der rechten Hand fest und stieß Will mit der linken von sich. Rasch schob sie das Buch unter ihr Kopfkissen, richtete sich in ihrem Bett auf und rutschte so weit nach oben, dass sie auf ihrem Kissen und damit auch auf ihrem Tagebuch saß. In dem Moment überkam sie ein Hustenanfall, sodass sie zunächst kein Wort herausbekam. Als es schließlich wieder besser ging, sah sie ihren Bruder böse an.
    „Mein Tagebuch geht dich nichts an, wie oft soll ich dir das noch sagen?“, fragte sie wütend und zog ihr übergroßes T-Shirt, das sie anstelle eines Nachthemds trug, zurecht. „Ich wühl schließlich auch nicht in deinen Klamotten rum, oder?“
    Will winkte ab. „Mein Gott, bist du langweilig.“
    Damit hockte er sich in seinem blauen Schlafanzug auf sein Bett, das genau gegenüber an der anderen Wand stand, und widmete sich ganz seinem Nintendo DS. Das war im Grunde das Einzige, was er im Kopf hatte. Immer wenn Faith ihn so sah, musste sie unwillkürlich an ihren Onkel Timothy denken. Der war über dreißig, arbeitslos und saß von morgens bis spät in die Nacht hinein vor seinem Computer und spielte irgendwelche Spiele. Faith hatte sich nie für so etwas interessiert. In ihren Augen war es reine Zeitverschwendung. Manchmal fragte sie sich allerdings, ob sie das nicht ein bisschen zu eng sah. Vielleicht würden ihr derartige Beschäftigungen ja auch Spaß machen, wenn ihr Leben wie das aller anderen Menschen in ihrem Umfeld zeitlich nicht so eng begrenzt wäre. Es lebte sich ganz eindeutig unbeschwerter, wenn man nicht wusste, wann die eigene Lebenszeit ablief. Aber die Krankheit, an der Faith litt, ließ diese Unbeschwertheit leider nicht zu.
    Es klopfte an der Tür, und ihre Mutter schaute herein. „Hast du deine Medikamente genommen?“, fragte sie Faith.
    Die nickte leicht genervt. „Natürlich, wie könnte ich sie vergessen? Ist schließlich jeden Tag dasselbe.“
    „Du weißt, wie wichtig sie für dich sind. Und bleibt nicht mehr zu lange wach, ja? Es war ein anstrengender Tag, und morgen haben wir einiges vor.“
    „Aye, aye!“, erwiderte Faith, während Will weiterhin mit seinem Spiel beschäftigt war.
    „Dann schlaft gut.“ Ihre Mutter schloss die Tür wieder, und
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