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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss
Autoren: Patricia Schroeder
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Jolin.
    Die Schwester kontrollierte die Braunülen und stellte einen der beiden Medikamententropfe beiseite. »Ich glaube, darauf können wir jetzt verzichten«, meinte sie. »Außerdem ist das Ding sowieso nur im Weg.«
    Sie nickte Jolin noch einmal zu und verschwand wieder hinter der Trennwand.
    »Tja«, sagte Paula unschlüssig, »ich denke, ich werde trotzdem ein bisschen frische Luft schnappen gehen. Das Wetter ist so herrlich, und außerdem wollte ich noch ein paar Kleinigkeiten für heute Abend besorgen.«
    »Heute Abend?«, wunderte sich Jolin. »Ist da was Besonderes?«
    »Na ja«, sagte Paula. »Offenbar hast du durch deine Bewusstlosigkeit ein wenig die Orientierung verloren ...«
    Jolins Brauen schoben sich fragend nach oben. »Weihnachten?«
    »Ja, heute haben wir den vierundzwanzigsten Dezember«, bestätigte ihre Mutter, »und ich schätze mal, in diesem Jahr eine ganze Menge zu feiern.« Sie trat noch einmal ans Bett und küsste ihre Tochter sanft auf die Wange. Danach wandte sie sich Rouben zu und legte ihre Fingerspitzen mit leichtem Druck auf seinen Arm. »Ich nehme an, du bist heute Abend auch noch hier ...«
    Rouben lächelte. »Natürlich.«
    »Hast du etwas dagegen, wenn ich den anderen ebenfalls Bescheid sage?«, raunte sie ihm zu.
    »Vielleicht sollte sie das lieber entscheiden«, erwiderte Rouben.
    »Was?« Jolin hob neugierig den Kopf, doch als sie den Schmerz in ihren Schultern spürte, ließ sie ihn sofort wieder sinken. »Was soll ich entscheiden?«
    »Ob du eine große Feier willst oder lieber eine familiäre«, sagte Rouben.
    Jolin sah ihn stumm an. Eine familiäre?, dachte sie. Was meinte er damit? Dass er sich ausschloss? Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Eigentlich war alles klar und trotzdem immer noch so vieles offen.
    Paula seufzte. »Überlassen wir es doch einfach sich selbst, in Ordnung?«, schlug sie vor. »Ich werde Anna anrufen, und der Rest ergibt sich dann schon von alleine.«
    Rouben nickte. »Gute Idee.«
    »Ich bin zumindest für alle Schandtaten zu haben.« Mit diesen Worten verabschiedete sich Paula Johansson, und dann war Jolin endlich mit Rouben allein.
    »Hey«, wiederholte sie leise, so als müsse alles noch einmal von vorn anfangen.
    Rouben setzte sich zu ihr auf die Bettkante, und Jolin bemerkte, dass er unter dem grünen Kittel einen olivgrünen Pulli und eine Jeans trug. So zärtlich, als streichele er über ihre Haut, fuhr er mit den Fingern über den Gips. »Es tut mir so leid, dass ich das nicht verhindert habe«, sagte er.
    Jolin schluckte schwer. Die Erinnerung an die Partynacht ließ die Beklemmung und die Angst und all die schrecklichen Geschehnisse auf der Burg noch einmal aufflammen. »Wo warst du überhaupt?«, fragte sie rau.
    »Im Wehrgang«, sagte Rouben. »Vincent hatte mir gesagt, dass du im Eingangsportal auf mich wartest und mir etwas Wichtiges mitzuteilen hättest. Ich hätte eigentlich sofort wissen müssen, dass das nicht sein kann, aber ich war so aufgeregt, ich dachte, dass du mir endlich sagen würdest, dass du verstanden hast und dass du ...«
    »Was?«, hauchte Jolin.
    »Dass du mich liebst ... Ich habe mich so sehr danach gesehnt...«
    »Aber wieso hast du das nie gesagt?«, erwiderte Jolin. »Ich bin an deiner Kälte fast erfroren.«
    Rouben senkte den Kopf. »Ich weiß«, sagte er schuldbewusst. »Aber ich konnte es nicht ändern. Ich war gefangen in einer Welt, die weder das eine noch das andere war. Meine Mutter hat mir damals gesagt, dass alles gut wird, sobald ich mein achtzehntes Lebensjahr vollendet habe. Ich hatte keinen Grund, ihr nicht zu vertrauen. Meine ganze Kindheit über war sie die Einzige, zu der ich überhaupt Kontakt hatte. Ich kannte weder meinen Vater ...«
    »Harro Greims oder Antonin?«
    »Harro Greims«, sagte Rouben. »Antonin ist Vincents Vater. Kurz nachdem er geboren war, hat meine Mutter Harro Greims kennengelernt.«
    »Sie war seine große Liebe«, sagte Jolin. »Wusstest du das? Nach ihr hat ihn nie wieder eine andere Frau interessiert.«
    Rouben sah ihr nun geradewegs in die Augen. »Meine Mutter hat nicht viel über ihn gesprochen«, erwiderte er. »Es ist zwar nicht so, dass Vampire keine Gefühle haben, aber diese sind immer auf sie selbst bezogen und drehen sich einzig und allein darum, sich persönliche Vorteile zu verschaffen. Hass und Rache dominieren die Dunkelheit, die Existenz in dieser Welt ist ruhelos und von Angst geprägt. Angst vor den anderen, vor allem aber Angst vor dem Licht. Und
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