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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss
Autoren: Patricia Schroeder
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sich aufzusetzen, aber sie fand nichts, womit sie sich hochstützen konnte. »Was ist mit meinen Armen?«, fragte sie irritiert.
    »Bitte reg dich jetzt nicht auf, Jol, ja?«, stieß Anna hervor. Ihre Stimme überschlug sich. »Die kriegen das bestimmt wieder hin. Der Hubschrauber muss jeden Augenblick hier sein. Und dann kommen Rouben 'und du, ihr kommt dann in die Stadtklinik und ...«
    »Anna«, sagte Jolin. Sie schloss die Augen und ließ sich stöhnend auf den harten Boden zurücksinken. »Ich liebe dich, weißt du das?«
    »Ich liebe dich auch, Jol«, schluchzte Anna. »Es tut mir so wahnsinnig leid. Und Klarisse und Rebekka und allen anderen auch ... Ich ... Wir wollten doch nur Roubens Geburtstag feiern. Wie hätten wir denn ahnen können, dass das alles hier einfach so zusammenstürzt?«
    »Schon gut«, wisperte Jolin. »Ist ja schon gut.«
    In der Ferne ertönte das Schlagen der Rotorblätter eines Hubschraubers. Es kam allmählich näher und wurde schließlich unerträglich laut. Jolin spürte, wie das Licht des Suchscheinwerfers über ihren Körper glitt, und als die Turbulenzen ihr die Haare zerzausten und noch einmal Staub aufwirbelten, verlor sie erneut das Bewusstsein. Sie merkte nicht, wie sie auf Verletzungen untersucht, in eine Decke gehüllt und auf eine Trage geschnallt wurde. Der Transport in die Stadtklinik dauerte nur wenige Minuten. Jolin wurde geröntgt und auf die Intensivstation verlegt. Erst drei Tage später öffnete sie die Augen wieder.
     
    Paula trug einen grünen Kittel. Sie saß ein wenig schief neben dem Bett auf einem Stuhl und schlief. Ich habe vergessen, mich von ihnen zu verabschieden, war das Erste, was Jolin dachte. Ich habe überhaupt nicht mehr an meine Eltern gedacht.
    Sie bekam ein schlechtes Gewissen, das gleich darauf von einem Gefühl warmer Zärtlichkeit abgelöst wurde. »Ma.« Jolin wollte die Hand ausstrecken und ihre Mutter am Arm berühren, da bemerkte sie, dass ihre Arme in Schienen lagen und von den Fingergelenken aufwärts bis über die Ellenbogen eingegipst waren. — »Ma!«
    Paula Johansson war sofort wach. Ruckartig setzte sie sich auf. Auf ihrer Stirn hatte sich eine Sorgenfalte gebildet, die sich jedoch augenblicklich glättete, als sie fest-stellte, dass Jolin aufgewacht war.
    »Mein Schatz, wie geht es dir?« Sie wechselte vom Stuhl auf die Bettkante. »Hast du Schmerzen?«
    »Nein. Was ist mit meinen Armen?«
    Paula strich ihrer Tochter über die Wange. »Sie haben dir ja auch was gegeben«, sagte sie.
    »Ma, was ist mit meinen Armen?«, fragte Jolin ungeduldig. Anna hatte ihr schon keine Antwort gegeben, und sie selbst konnte sich nur noch daran erinnern, dass sie versucht hatte, diese verdammten Türen zu öffnen.
    »Der obere Teil der Burgruine ist völlig eingestürzt«, sagte Paula. »Gunnar und ich haben es uns angesehen. Es ist uns absolut unerklärlich, wie das passieren konnte«, fuhr sie kopfschüttelnd fort. »Im Spätsommer sind wir noch im Rackeberger Forst spazieren gegangen. Wir waren auch in der Ruine ...«
    »Und meine Arme?«, fragte Jolin.
    »Sie sind mehrmals gebrochen«, sagte Paula. Sie senkte den Blick und wischte ein paar imaginäre Fusseln von der weißen Bettdecke. »Elle und Speiche mussten genagelt werden. Auf beiden Seiten.« Sie lachte kurz auf. »Na ja, heutzutage wird das wohl eher geschraubt. Und deine Finger ...«
    »Die sind auch gebrochen?«
    Paula nickte. »Die meisten, ja.«
    O Gott! Jolin schloss die Augen.
    »Wenn die Schmerzen kommen, musst du sofort Bescheid sagen«, sagte Paula, »dann dosieren sie nach. Es kann ein bisschen dauern, aber es kommt alles wieder in Ordnung«, fügte sie hastig hinzu. »Und außer den Brüchen hast du ja zum Glück nichts. Nicht einmal einen Kratzer im Gesicht.« Sie lächelte, dann seufzte sie leise und fuhr Jolin mit der Hand über den Gips. »Ihr habt alle so ein wahnsinniges Glück gehabt.«
    Jolins Herz fing an zu klopfen. Sie hatte höllische Angst vor der Antwort, aber sie musste die Frage stellen: »Alle?«
    Paula nickte. »Ja, alle.«
    »Auch Rouben?«
    Ihre Mutter schwieg. »Du magst ihn wirklich sehr, oder?«
    »Ja, verdammt nochmal ...« Jolin schossen die Tränen in die Augen. »Jetzt sag mir bitte die Wahrheit, Ma, sonst ...«
    »Schsch ...«, machte Paula. Behutsam tätschelte sie Jolins Schulter. »Es ist alles in Ordnung mit ihm, mein Schatz. Anna hat gesagt, dass er eine Weile bewusstlos gewesen ist. Man hat ihn zusammen mit dir hierhergeflogen und
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