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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss
Autoren: Patricia Schroeder
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zugleich sehnen sie sich nach nichts so sehr, wie neben den Menschen im Sonnenlicht zu leben und eines Tages in den ruhigen und friedlichen Teil der Dunkelheit zurückkehren zu können.«
    »Du meinst sterben?«
    Rouben nickte. »Du kannst das vielleicht nicht verstehen, aber für einen ewig Untoten ist der endgültige Tod etwas außerordentlich Verlockendes. Das ewige Leben oder besser gesagt der ewige Untod macht einen Vampir nicht glücklich, denn er bedeutet für ihn, dass dieses Schattendasein nie ein Ende hat.«
    »Doch, verstanden habe ich das schon«, erwiderte Jolin. »Ich habe einen Roman gelesen ...«
    Rouben lächelte. »Die Geschichte über Victor und die Baronesse, eingebunden in samtschwarz bezogene Pappen, die es nur in kleiner Auflage gibt?«
    »Du machst dich über mich lustig«, sagte Jolin schmollend.
    »Nein, nicht wirklich.« Sanft berührte Rouben Jolins Fingerkuppen, die aus dem Gips herausschauten.
    »Woher kennst du es überhaupt?«, fragte sie. »Oder bist etwa du es gewesen, der es mir ... ?«
    »Nein«, unterbrach er sie. »Keine Ahnung, ob es gesteuert war, aber ich war es nicht. Soweit ich weiß, stammen diese Bücher aus der Welt der Dunkelheit, die die Vampire zu den Menschen gebracht haben, um mit ihnen in Kontakt zu treten. Sie sehnen sich danach, von Menschen verstanden zu werden. Sie wollen nicht als grausam und böse gelten. Sie suchen die Nähe der Menschen. Und nur weil sie sich wünschen, so zu sein wie sie, trinken sie ihr Blut.«
    »Eigentlich müssten sie inzwischen kapiert haben, dass es nur umgekehrt funktioniert«, erwiderte Jolin. »Ein Vampir wird nicht zu einem Menschen, wenn er ihn beißt. Ein Mensch wird zum Vampir. Im Grunde hätte Ramalia sich Harro Greims problemlos in ihre Welt hinüberholen können.«
    Rouben schüttelte den Kopf. »Das hätte wenig Sinn gehabt«, entgegnete er. »Antonin hätte ihn vernichtet. Er hätte dafür gesorgt, dass er im Sonnenlicht zu Staub zerfällt.«
    »Siehst du, es gibt also doch einen Tod für Vampire«, sagte Jolin.
    »Das ist doch kein Tod«, erwiderte Rouben. »Das ist Vernichtung durch den Menschen und damit eine Schande für Vampire. Sie wollen ihre Macht nicht hergeben, sie wollen die Welt des Lichts beherrschen. Und obwohl sie wissen, dass genau das nicht geht, hören sie nicht auf, darauf zu hoffen, dass es ihnen eines Tages möglich sein wird.«
    Jolin seufzte leise. »Du weißt so viel«, sagte sie. »Aber die Prophezeiung willst du nicht kennen.«
    »Das ist auch so gewesen«, verteidigte Rouben sich sofort. »Erst in dieser Vollmondnacht hat meine Mutter mir all die Dinge erklärt, die ich bis dahin nicht wusste oder nur ahnte.«
    »Du hast Ramalia auf der Burg getroffen?«, fragte Jolin erstaunt. »Sie hat dir von der Prophezeiung erzählt und dir erklärt, wie du es verhindern kannst, dass sie sich erfüllt?«
    »Das hätte ich gar nicht gekonnt«, erwiderte Rouben. »Jedenfalls nicht ohne dich. Du allein hast die Erfüllung verhindert. Ich habe nur deine Hilferufe gehört und deine Wärme, deine Liebe gespürt. Ramalia hat erst Kontakt zu mir aufgenommen, als die Schattenwelt verschwunden und die Ruine zerstört war.«
    »Aber du hast doch bei mir im Staub gelegen.«
    »Es war ein Gedankenkontakt, der sich im Zustand der Bewusstlosigkeit oder im Schlaf in einen Traum verkleidet.«
    »Und was hat deine Mutter dir über die Prophezeiung erzählt?«, fragte Jolin.
    »Nur dass sie vor vielen Tausenden von Jahren von einigen besonders mächtigen und weisen Vampiren erdacht wurde.«
    »Erdacht?« Jolin wollte es kaum glauben. »Heißt das, es gibt keine Regeln oder Ereignisse, auf die sie zurückzuführen wäre?«
    »Ich glaube, es ist eher so eine Art Eingebung gewesen«, sagte Rouben. »Ramalia hat mir erzählt, dass es immer wieder führende Vampirpersönlichkeiten gegeben hat, die versuchten, dem Sonnenlicht zu widerstehen. Während die meisten anderen sich eher früher als später in ihre Särge oder Kisten flüchteten, versuchten sie, diesen Zeitpunkt so lange wie möglich hinauszuzögern. Sie gerieten in der Morgendämmerung dann in eine Art Trancezustand. Und diejenigen, die es schafften, nicht zu Staub zu zerfallen, sondern ins Bewusstsein zurückzukehren, kamen in der Regel mit einer Botschaft zurück. Diese Botschaften wurden aufgeschrieben und an geheimen Orten aufbewahrt.«
    »Verrückt«, sagte Jolin. »Und wieso wussten deine Mutter und Antonin davon?«
    »Sie sind die Nachfahren der mächtigsten
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