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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger
Autoren: Kristina Dunker
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auf, bitte! Ich, wir … wir haben das doch besprochen. Du hattest deine Rache. Jetzt lass uns vernünftig reden!«
    »Okay.« Er nickt, lächelt. »Du bist klug und abgebrüht wie immer. Täubchen ist eigentlich gar nicht der richtige Name für dich. Viel zu sanft. Du bist ein Biest im Taubenkleid. Aber ich mag das. Du weißt ja, dass das meine große Schwäche ist. Also gut, ich erfülle meinen Teil unserer Abmachung. Du tust gut daran, deinen auch zu erfüllen!«
    Ich schreie auf, denn bei den letzten Worten macht er eine schnelle Bewegung zu Rocky hin. Das Messer durchtrennt die Schnürbandleine. Rocky istfrei, stürzt los, witscht durch die offene Tür auf mich zu, springt an mir hoch und kann sich kaum beruhigen.
    Mein Herz rast so schnell wie nie zuvor in meinem Leben. Die Tränen schießen mir mit Macht in die Augen.
    »So! Jetzt schick die Gans weg!« Lars kommt mit unsicherem Gang auf uns zu, das Messer in der einen, die Schaufel wie eine Krücke in der anderen Hand.
    »Nelchen«, sagt Ida mit verheultem, aber gefasstem Gesicht. »Kannst du dich mal eine Weile allein beschäftigen? Ich muss mit Lars unter vier Augen reden.«
    »Was?« Mir platzt der Kragen. Anspannung und Erleichterung brechen sich Bahn. »Ist dir eigentlich scheißegal, wie ich mich fühle? Geht es hier nur um eure gestörte Beziehung und eure Scheiß-Abmachungen?«, rufe ich. »Deshalb muss ich eine Horrornacht erleben, deshalb wird Fabi von der Straße abgedrängt, mein Hund entführt, ein Wespennest angestochen? Weil ihr so abgefahren krank seid und Tauben vergiftet habt?«
    »Keine Tauben«, sagt Lars.
    Ich brülle vor Wut. Ich kenne alle Schimpfworte, die auf dem Fußballplatz je gefallen sind, und ich weiß, wie man eine Tür versperrt, auch wenn man kein Schloss zur Hand hat. Den Riegel an der Bauwagentür habe ich im Nu mit einem stabilen Stock blockiert, und auch wenn der dadrinnen noch so einen Aufstand macht: Er hat nach den Schlägen,die ich ihm versetzt habe, nicht mehr genug Power, um sich zu befreien.
    Allerdings habe ich nicht mit Idas Widerstand gerechnet. Sie packt meinen Arm. »Was soll das? Willst du ihn einsperren?«
    »Das hat er mit mir auch schon gemacht.«
    »Nele, ich weiß. Das war schlimm und tut mir leid. Und auch, dass hier alles aus dem Ruder gelaufen ist. Ich hätte dir vorher sagen müssen, was los ist, aber versteh doch, es geht hier auch um meine Familie, es geht nicht nur um dich …«
    »Dass es nicht um mich geht, weiß ich inzwischen, vielen Dank für den Hinweis! Aber das mit dem kleinen Jungen ist Mord.
Mord
, Ida! Dafür gehört dein Ex ganz woanders eingesperrt!«
    »Das war ein Unfall!«
    Ich aber setze noch einen drauf. »Ich verständige die Polizei. Ich werde ihnen sagen, wie Lars uns bedroht hat und dass er und dein Vater und …« – ich zögere, es auszusprechen – »dass ihr ein Kind auf dem Gewissen habt.«
    »Nein, Nele.« Sie schüttelt trotzig den Kopf. »Wir wissen doch überhaupt nicht, ob der kleine Junge gestorben ist.«
    »Umso schlimmer. Nicht mal darum habt ihr euch gekümmert.«
    »In der Zeitung stand nur, dass er ins Krankenhaus gekommen ist. Es war nur eine kurze Meldung, und obwohl ich in den nächsten Tagen immer geguckt habe, habe ich keinen weiteren Bericht gefunden. Über Pfingsten waren wir natürlich im Urlaub,vielleicht hat da was dringestanden, aber ein Stadtgespräch ist die Sache jedenfalls nicht geworden. Lars hat doch die verräterische Taube mitgenommen. Die sind vielleicht gar nicht dahintergekommen, was passiert war. Ich habe mich wohl gekümmert«, sagt sie voller Selbstmitleid, »du weißt doch, wie sehr mich diese Träume von dem Jungen belasten.«
    In dem Moment meldet sich Lars aus dem Inneren des Bauwagens: »Täubchen! Ich weiß, dass du das nicht wolltest. Du konntest die Lage nicht einschätzen. Du wolltest deine Familie schützen. Du dachtest, das würde gerade noch mal gut gehen. Wenn du mir noch eine Chance gibst … Ich sag nichts, ich schwör’s dir. Zusammen schaffen wir’s. Ich liebe dich.«
    Ida stößt einen herzzerreißenden Schluchzer aus.
    »Darauf willst du dich doch wohl nicht einlassen«, sage ich böse. »Das ist Erpressung. Gib mir dein Handy, damit ich die Polizei anrufen kann.«
    »Was hast du denn immer mit der Polizei?« Jetzt keift sie wie eine Furie. »Ich
bin
erpressbar, ich häng mit drin, Nele, hast du das nicht kapiert? Lars hat nicht eingegriffen, weil
ich
dachte, dass die Kinder schon nicht so blöd sein werden, den
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