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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger
Autoren: Kristina Dunker
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dafür büßen.«
    Mir wird übel. »Das glaube ich nicht. Du lügst. So was macht Ida nicht. Und ihr Vater auch nicht. Wer soll dir das glauben? Du bist der Teufel!«
    »Bin ich das?« Lüsterner Blick, Lippenlecken. »Dann sollte ich meiner Rolle wohl gerecht werden.«
    »So hat Ida dich genannt«, rufe ich hastig. »Für sie bist du der Teufel!«
    »Das ist nicht wahr! Der Teufel ist ihr schlechtes Gewissen! Sie glaubt, ihre Schuld vergessen zu können, indem sie mich aus ihrem Leben verbannt. Ja, da guckst du blöd, du denkst wohl, die Täubchen und Fernsehstars wären immer unschuldig und erfolgreich, während jemand wie ich die Arschkarte ziehen muss, was?« Er explodiert und kommt auf mich zu, als wolle er mich abstechen.
    Da wird er gebissen. Nicht stark, denn Rocky ist ein kleiner Hund und alles andere als in Form. Aber es reicht. Der Vogelfänger flucht, stößt Rocky weg, bückt sich, greift spontan mit der Hand an seine Wade. Ich dagegen greife nach oben, zu den Schaufeln. Zwar schnellt Lars wieder hoch, aber gerade in dem Moment, in dem ich die erste herunterzerre und das Schaufelblatt feste Richtung Boden reiße.
    Er kracht mit seinem Nacken förmlich in meine Bewegung. Es gibt ein übles Geräusch. Er schreit vor Schmerz und sackt stöhnend in sich zusammen. Mit einem Satz springe ich über ihn drüber. DieSchaufel am Stiel gepackt und weiter im Anschlag. Soll ich noch mal draufhauen? Nicht so einfach.
    »Willst du mich umbringen?«, fragt er mit schwacher Stimme vom Boden her und spuckt Blut aus. »Hab mir auf die Zunge gebissen.«
    »Oh, ich heul gleich«, fauche ich sarkastisch, bin aber wirklich kurz davor.
    Rocky bellt.
    »Ich hab noch deinen Hund.« Lars grinst grotesk schief und streckt die Hand nach dem Messer aus, das ihm auf den Boden gefallen ist. Also schlage ich zu. Direkt auf die Hand. Geht doch. Und als er sich dann noch einmal aufbäumt, lasse ich die Schaufel auch noch auf sein Knie sausen. Für Fabi.
    Jetzt sagt er nichts mehr, krümmt sich nur vor Schmerzen.
    »Drei zu null für Oberwacker-Nele«, flüstere ich und spüre, wie der Schaufelstiel in meinen Händen vor Anspannung zu zittern beginnt. Gut wäre es, wenn ich jetzt noch an das Messer käme, aber es liegt zu nah bei ihm. Ich wage es nicht, mich zu bücken und danach zu greifen. Ist er wirklich groggy und kampfunfähig oder täusche ich mich?
    Die Sekunden dehnen sich wie Kaugummi. Mein Gegner kauert auf dem Boden und windet sich. Rocky will zu mir und schnürt sich erneut die Luft ab. Mir wird der Schaufelstiel schwer, aber ich halte ihn mit aller Kraft in Angriffsstellung. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich es wagen kann, ihm das Messer abzunehmen.
    Auf dem Handrücken hat er eine blutige Quetschungund seine Finger schwellen zu doppelter Dicke an. Das getroffene Knie kann ich nicht sehen, dafür seinen Rücken, als er sich mit geschlossenen Augen leicht taumelnd in den Nacken fasst und dabei das T-Shirt herunterschiebt. Neben der Stelle, an der er in die Schaufel gekracht ist, prangt die gleiche Tätowierung, die Ida hat.

38
    Der Vogelfänger hat noch lange nicht verloren. Auch wenn ihm flau und schwindelig vom Schlag auf den Hinterkopf ist, hat er immer noch seine Trümpfe in der Hand. Es mag für die Gans so aussehen, als ob sie momentan im Vorteil sei, aber das täuscht.
    Selbst wenn sie ihm diesmal entwischen sollte, wenn er sie ungeschoren aus dem Bauwagen entkommen ließe, hat er sein wahres Ziel längst erreicht. Denn sein Täubchen ist zu ihm zurückgekehrt.

39
    Wenn ich eine Chance habe, an das Messer zu kommen, dann jetzt. Lars steht kurz vor der Ohnmacht. Ich will die Schaufel senken und mit ihr das Messer schnell zu mir herüberziehen, als hinter mir jemand entsetzt fragt: »Was ist denn hier los?«
    »Verdammt, Ida, wo warst du so lange?«
    »Täubchen«, lallt er sofort, »du hast dich hübsch gemacht.«
    Das ist leider nicht von der Hand zu weisen. Sie sieht deutlich frischer aus als vorhin. Neu hochgesteckte Haare, gewaschenes Gesicht, anderes Shirt. Vielleicht sogar etwas Lippenstift. Darüber bin ich so verblüfft, dass ich einen Augenblick nicht aufpasse.
    Da schnappt sich der vermeintlich Besiegte blitzschnell das Messer, dreht sich zu Rocky und faucht mich mit hochgezogener Oberlippe und raubtierhaft gebleckten Zähnen an: »Schluss mit lustig! Der Hund ist Hackfleisch, wenn du nicht machst, was ich sage. Also, leg die verdammte Schaufel weg und dann raus aus dem Wagen!«
    Die Augen starr auf ihn
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