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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger
Autoren: Kristina Dunker
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auf«, sage ich und reiche ihm Rockys Leine. Rocky will natürlich lieber mit mir kommen, aber beim Angler ist er sicherer.
    Für den Rückweg brauche ich wegen meiner Erschöpfung noch einige Minuten mehr. Und siehe da: Während meiner Abwesenheit hat sich auf der Wiese einiges getan. Mein Zelt steht noch, aber Idas Sachen fehlen komplett. Selbst die Hängematte hat sie abgenommen. In der Eile hat sie einige Zeltstangen umgerissen. Sieht traurig aus.
    Das Zelt von Fabi und Hannes ist ebenfalls eingefallen und zur Hälfte abgebaut. Fabi sitzt mit hochgelegtem Bein auf dem Rücksitz des daneben geparkten Autos und winkt müde. Als Hannes mich sieht, kommt er mir entgegen: »Gut, dass du da bist, Nele! Wo ist Rocky? Geht’s ihm gut?«
    Ich nicke nur.
    »Ida ist mit ihrem Vater und einem Typen weggefahren. Wir haben sie gefragt, wo du bist, was mit Rocky ist. Ihr Vater hat gesagt, es sei alles in Ordnung und auch so mit dir abgesprochen. Aber du hättest dich zum Schluss mit Ida gestritten und wolltest lieber später von deinen Eltern abgeholt werden.« Hannes sieht mich zweifelnd an. »Stimmt das?«
    Ich zucke die Achseln.
    »Der Typ, der bei ihnen war, sah übrigens aus, als wäre er in eine Schlägerei geraten.«
    Jetzt lächle ich ein bisschen.
    »Idas Vater ist ja voll selbstbewusst und redegewandt«, bemerkt Fabi. »Manager?«
    »Koch.«
    »Ach, stimmt ja, ich kenn den aus dem Fernsehen!« Er schlägt sich an die Stirn. »
Kochen mit Bärlauch. Mehr als Kniffe mit Kräutern.
Das kommt immer mittwochs um sieben.«
    Das Lächeln ist mir schon wieder vergangen.
    Hannes zeigt auf mein Zelt. »Ida hat dir ein Päckchen dagelassen. Du sollst es dir unbedingt ansehen.«
    »Aha.« Inzwischen beginne ich zu zweifeln, ob es sinnvoll ist, die Polizei anzurufen. Die drei sind weg. Wenn die Polizei mich fragen wird, wann denn, wo genau, welcher kleine Junge und mit welchen Folgen er mit was für einem Giftstoff in Berührung gekommen ist, werde ich nur Vermutungen anstellen können. Mich würde man auch kaum als redegewandt und selbstbewusst bezeichnen.
    »Wo ist eigentlich Rocky?«, fragt Fabi.
    »Beim Angler Alfons.«
    »Mein Messer ist auch wieder da. Es lag unter der Bodenplane. Ich versteh nicht, wie ich’s da übersehen konnte.« Hannes legt mir eine Hand auf die Schulter. »Aber was machst du denn jetzt? Kommen deine Eltern wirklich, um dich abzuholen? Wir müssen nämlich nach Hause fahren. Fabis Knie ist doch arg lädiert.«
    »Das ist schlimm, Fabi.«
    »Schlimm ist vor allem, dass der Urlaub vorbei ist. Denn als ihr gekommen seid, fing er erst so richtig an, Spaß zu machen.«
    »Danke.«
    »Stimmt«, sagt Hannes, »es war nett mit euch. Wenn auch ’n bisschen anstrengend.« Er drückt mich kurz an sich und packt dann weiter ein.
    Ich krieche in mein zusammengefallenes Zelt und schaue nach, was Ida mir hinterlassen hat. Es handelt sich um ein mit Gummibändern zusammengehaltenes Päckchen, bestehend aus ihrem Notizbuch, zwei Hundert-Euro-Scheinen und einem Blatt Papier, auf dem steht:
    Das Geld ist für ein neues Handy. Wen Du damit anrufst, musst Du selbst wissen. Du kennst doch den Spruch: »Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.« Warst Du nach Tobias’ Unfall nicht froh, dass Du mich hattest? Hast Du vergessen, wie ich in der Zeit zu Dir gehalten habe?
    Um unsere Freundschaft tut es mir sehr leid. Zum Beweis, dass es – auch wenn Du mir nicht glaubst – wirklich
(drei Mal unterstrichen)
Freundschaft für mich war und dass Du immer noch die Einzige bist, der ich vertraue, schenke ich Dir mein Traumtagebuch. Tu damit, was Du willst.
    Ich blättere die Seiten durch. Die erste, auf der ihre Adresse stand, fehlt. Der Rest ist zwar komplett, aber es handelt sich nur um skurrile Traumbeschreibungen und, auf der letzten beschrifteten Seite, die Bemerkung, wie schön es sei, mich zur Freundin zu haben.
    Freundin! Ich atme tief aus und pfeffere das Büchlein in die Zeltecke. Das hat sie sich ja gut ausgedacht. Mir wird wahrscheinlich eh keiner glauben, und damit ich mich nicht trotzdem zu Wort melde und unnötigen Wirbel mache, kommt sie mir vorher noch mit Vertrauen, Treue und Freundschaft.
    Alles dumm gelaufen.
    »Nele, hilfst du mir, die Räder auf den Gepäckträger zu schnallen?«
    »Ja.«
    »Hier, sieh mal: Lackspuren. Da hat der Raser den Fabi gestreift.«
    Plötzlich weiß ich, dass doch noch etwas möglich ist. Es ist ganz einfach. Zumindest Lars kann ich drankriegen. Rasch erkläre ich den
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