Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger
Autoren: Kristina Dunker
Vom Netzwerk:
Gelegenheit dazu. Noch ist er nicht nah genug. Na?
    Sie ist hin und her gerissen und durchdrungen von Furcht. Wo ist die großmäulige Schlampe geblieben, die ihm sein Täubchen streitig machen wollte? Hat er die schon verschwinden lassen? Gut.
    Der Vogelfänger ist zufrieden mit sich und wird immer zufriedener, je näher er seinem Fang kommt.
Eine schöne Situation, die er sich da für die Gans ausgesucht hat. Ein echter Konflikt: klassisch, tragisch, bestens komponiert und vorbereitet wie ein gutes Essen. Die würzige Zutat Angst macht Nele sogar ein bisschen attraktiv. Amüsant, wie sie sich jetzt vor Nervosität mit beiden Händen die ihr ins Gesicht fallenden Haare zurückschiebt und sich dabei ungewollt fast das Top auszieht. Er wettet, sie merkt es gar nicht. Sie ist am Ende.
    Er steht kurz vor der Bauwagentür und registriert, dass sie nicht herausstürmt. Sie hat sich für den Hund entschieden. Das hat er erwartet. Dummheit und Tierliebe gehen oft zusammen.

37
    »Manchmal trifft man die falschen Entscheidungen«, sagt der Vogelfänger und lehnt sich mit der Schulter lässig gegen den Türrahmen.
    »Willst du mich jetzt wieder einschließen wie im Bootskeller?«, frage ich, aber was giftig klingen soll, wirkt bestenfalls kläglich.
    Er grinst auch nur abfällig, hebt den Saum seines T-Shirts an und zieht bedächtig ein langes Messer aus einer Lasche am Gürtel der Jeans. »Das wäre die eine Möglichkeit.«
    Ich sage nichts. Mir reicht meine Fantasie. Während meine Finger immer noch sinnlos versuchen, den armen Rocky zu befreien, steigt die Angst von unten in meinen Körper. Zuerst zittern meine Unterschenkel,danach die Knie. Das Herz rast, die Augenlider flattern, sodass ich meinen Feind, der im hellen Rechteck der Tür steht und dessen Gesicht für mich im Schatten liegt, noch schlechter einschätzen kann.
    »Weißt du, was ich mit der ersten Gans, die mir mein Täubchen wegnehmen wollte, gemacht habe?«
    Meine Unterlippe zittert. Bald werde ich so hecheln wie Rocky.
    »Nadine hieß die.« Der junge Mann hält die Klinge des Messers jetzt so, dass sie die Sonnenstrahlen reflektiert. Die weiße Spiegelung der Klinge trifft berührungslos, aber gut sichtbar meinen Oberkörper, direkt aufs Herz. Ich will zurückweichen, aber hinter mir ist die Wand und seitwärts stolpere ich über die Schnürbandschnur, was Rockys Lage noch prekärer macht.
    Mein Feind lacht auf, so als wäre meine Ungeschicklichkeit noch ein netter Spaß nebenbei. »Ich habe Nadine etwas weggenommen, das ihr lieb war. Ein kurzer Schnitt und ich hatte ihren langen blonden Zopf in der Hand, ein Wort und ich hatte meine Ruhe vor ihr. Keine Intrigen mehr, keine weiteren Fragen. Sie machte einen Bogen um das, was mir gehört.«
    »Glaubst du im Ernst, dass Ida dein Eigentum ist, nur weil sie mal deine Freundin war? Bist du so ’n armer, kranker Scheißmacho?«
    »Vorsicht, ja!« Er ist mit einem Sprung bei mir und hält mir die Klinge unter die Kehle. Rocky will ihn trotz seiner Atemnot beißen, aber ein harterTritt in den Bauch meines kleinen Beschützers und er liegt winselnd am Boden.
    »Glaubst du, das allein sei der Grund, du dumme Gans? Natürlich hat Ida mehr Klasse als du. Natürlich stehe ich immer noch zu ihr, auch wenn wir uns gestritten haben – ich bin nicht jemand, der seine Liebe einfach im Dreck liegen lässt.«
    Ich will etwas entgegen, kann aber nicht. Ganz dicht steht er mit dem Messer vor mir. Sein Atem, ein Gemisch aus Zigarettenrauch und Pfefferminz, bläst in mein Gesicht.
    »Möchtest du auch ein Kaugummi?« Er lässt eine Kaugummiblase platzen. »Nein? Du weißt nicht, was gut ist. Aber wild bist du, oder?« Er lacht mit fliegenden Speicheltröpfchen und betatscht mit der freien Hand meine Hüfte, lässt sie unter das Top gleiten. »Was hast du gedacht, an dem Abend im Keller, hm? Warst du enttäuscht, dass es zwischen uns nicht mehr geworden ist?«
    Keine Chance, weiter zurückzuweichen oder gar wegzulaufen. Ich bin ihm genauso ausgeliefert wie im Bootskeller. Dass ich diesmal wenigstens etwas anhabe, verbessert meine Lage nicht wesentlich. Er schiebt den Saum meines Tops hoch und ich falle wieder wie ein Käfer in Totenstarre, dabei muss ich schnell handeln, schnell. Aber ich bin so gelähmt – dabei hatte ich mir doch fest versprochen, nie wieder in solch eine Situation zu kommen.
    »Ja, du warst enttäuscht, ich seh’s dir an.« Seine Stimme wechselt den Klang, wird falschzüngig-verführerisch, wie vorhin, als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher