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Mörderspiele

Mörderspiele

Titel: Mörderspiele
Autoren: J. D. Robb
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    M ord schert sich nicht um Traditionen. Er ignoriert Emotionen. Und macht keine Ferien.
    Weil Mord ihr Beruf war, stand Lieutenant Eve Dallas am frühen Morgen des ersten Weihnachtstages draußen in der Kälte und bestrich die Wildlederhandschuhe, die ihr Mann ihr wenige Stunden zuvor geschenkt hatte, mit Seal-It.
    Der Anruf war eben erst eingegangen, kaum sechs Stunden nach Abschluss des letzten Falles, der ihr einiges abverlangt hatte.
    Ihr erstes Weihnachtsfest mit Roarke sah nicht nach einem furiosen Start aus.
    Für Richter Harold Wainger hatte das Fest jedoch eine wesentlich fatalere Wendung genommen.
    Seine Leiche lag mitten auf der Eisbahn im Rockefeller Center. Mit dem Gesicht nach oben, sodass seine glasig starren Augen den bombastischen Weihnachtsbaum fokussierten - New Yorks Symbol der guten Wünsche für ein friedvolles Fest.
    Waingers Leichnam war unbekleidet und bereits tiefblau verfärbt. Das dichte silbergraue Haar, zu Lebzeiten sein Markenzeichen, war stoppelkurz geschoren, sein Gesicht grässlich entstellt. Trotzdem hatte Eve keine Probleme, ihn zu identifizieren.
    Sie war seit zehn Jahren bei der Polizei und hatte den Richter unzählige Male bei Verhandlungen erlebt. Er war, sinnierte sie, ein kompetenter und engagierter Mann gewesen, der die Gesetze respektierte, aber auch um ihre Fallstricke wusste.
    Sie bückte sich über den Toten, um die Worte zu entziffern, die tief in seinen Brustkorb eingebrannt standen.
    Richte, so wirst du gerichtet.
    Sie hoffte für ihn, dass ihm die Brandmale post mortem zugefügt worden waren, bezweifelte dies jedoch stark.
    Man hatte ihn brutal gefoltert, ihm die Finger beider Hände gebrochen. Blutige Einschnitte an Hand und Fußgelenken deuteten darauf, dass er gefesselt worden war. Gleichwohl waren es weder Folter noch Brandmale, die seinen Exitus herbeigeführt hatten.
    Das Seil, an dem man ihn aufgeknüpft hatte, schmiegte sich weiterhin um seinen Hals, grub sich tief in das tote Fleisch. Das war bestimmt kein schneller Tod, überlegte sie. Sie hatte nicht den Eindruck, als hätte er das Genick gebrochen, stattdessen ließen die geplatzten Äderchen in seinen Augäpfeln und im Gesicht eher auf eine langsame Strangulation schließen.
    »Er wollte Sie möglichst lang am Leben halten«, murmelte sie. »Damit Sie das ganze Martyrium qualvoll spüren.«
    In kniender Haltung inspizierte sie die handgeschriebene Notiz, die sich fröhlich im Wind bauschte. Sie bedeckte den Penis des Opfers, gleichsam wie ein obszönes Leichentuch. Fein säuberlich mit Druckschrift aufgelistet, standen darauf diverse Namen.
     
    RICHTER HAROLD WAINGER
    STAATSANWÄLTIN STEPHANIE RING
    PFLICHTVERTEIDIGER CARL NEISSAN
    JUSTINE POLINSKY
    DR. CHARLOTTE MIRA
    LIEUTENANT EVE DALLAS
     
    »Mich hebst du dir für den Schluss auf, was, Dave?«
    Sie erkannte seinen typischen Stil: bestialisch ausgeklügelte Foltermethoden, die langsam und qualvoll zum Tod führten. David Palmer genoss sein Tun. Seine Experimente, wie er es bezeichnete, als Eve ihn vor drei Jahren endlich gestellt hatte.
    Bis sie ihn hinter Schloss und Riegel gebracht hatte, hatte er bereits acht Opfer auf dem Gewissen und Schränke voller Disketten, die seine »wissenschaftliche Arbeit« belegten. Seitdem saß er die acht Mal lebenslänglich ab, zu denen Wainger ihn verknackt hatte. Im Hochsicherheitstrakt einer Einrichtung für mental gestörte Täter.
    »Aber du bist rausgekommen, stimmt’s, Dave? Es ist deine Handschrift. Die Folter, die Demütigungen, die Brandwunden. Öffentliche Zurschaustellung des Opfers. Das hier war gewiss kein Trittbrettfahrer. Bergen Sie den Leichnam«, befahl sie und erhob sich auf wackligen Beinen.
    Sah echt nicht danach aus, als würden die letzten Dezembertage des Jahres 2058 ein Zuckerschlecken werden.
    Kaum dass sie wieder in ihrem Wagen saß, fuhr Eve das Heizungsgebläse auf Hochtouren. Streifte die Handschuhe ab und rieb sich mit den Händen die kalten Wangen. Keine Frage, sie müsste einen Bericht erstellen, aber das konnte sie auch zu Hause erledigen. Verdammt noch mal, sie würde Weihnachten diesmal nicht auf dem Revier verbringen!
    Über den eingebauten Link gab sie an die Zentrale durch, dass sämtliche Namen auf der Liste hinsichtlich möglicher Gefahren an Leib und Leben informiert werden sollten. Und, Weihnachten hin oder her, sie beorderte Polizeischutz für jede der genannten Personen.
    Während sie fuhr, beauftragte sie ihren Computer: »Computer, aktueller Stand über David
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